19. Südosteuropa und die Republik Venedig
Tafel 19: Südosteuropa und Republik Venedig
Die Reformationsbewegung in Südosteuropa steht ganz unter dem Vorzeichen der osmanischen Expansion nach Mitteleuropa. 1529 belagern die Türken zum ersten Mal Wien und der Balkanraum ist inzwischen weitgehend unter ihrer Herrschaft. 1541 wird Ungarn in drei Teile aufgeteilt: Westungarn unter habsburgischer Oberhoheit, eine osmanische Provinz in Mittelungarn sowie das Fürstentum Siebenbürgen als türkischer Vasallenstaat, aber mit weitgehender innerer Autonomie. Die evangelischen Christen in Ungarn befinden sich damit in einer doppelten Frontstellung zwischen einem expansiven Islam und einer wiedererstarkenden römisch-katholischen Kirche.
Im Unterschied zu Deutschland, Skandinavien oder England/Schottland finden wir in Südosteuropa (bei fehlender zentralstaatlicher Entscheidungsgewalt) keine Fürstenreformation "von oben", sondern eine Reformationsbewegung "von unten", maßgeblich mitgetragen von lokalen politischen Eliten. Die unterschiedlichen Spielarten des europäischen Protestantismus können sich nebeneinander entfalten, so dass sich schließlich zwei rivalisierende reformatorische Bekenntnisse etablieren können: Wittenberger Einfluss manifestiert sich in der Einführung der Reformation in Kronstadt(1543) durch Johann Honterus (1498-1549) und der Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen (1547), die der Augsburgischen Konfession folgt. Gleichzeitig verbreitet sich die helvetische Glaubensrichtung durch Heinrich Bullinger, dessen Schriften An die ungarischen Kirchen und Pastoren (1551) sowie Zweites Helvetisches Bekenntnis (1561/66) wesentliche Bedeutung erlangen.
Für die Verbreitung der reformatorischen Lehren in Kroatien, Slowenien und den orthodoxgläubigen südosteuropäischen Gebieten kommt der von Hans von Ungnad (1493-1564) in Urach (Württemberg) eingerichteten Druckerei für slowenische, kroatische und kyrillische Schriften eine Schlüsselrolle zu. In Urach wird 1561/62 eine kroatische Übersetzung des Neuen Testaments sowie eine von Primos Trubar, dem Begründer der evangelischen Kirche in Slowenien, bearbeitete Fassung der Augsburgischen Konfession gedruckt. Unterstützt wird Ungnad u.a. durch Philipp von Hessen, der in regem Schriftwechsel mit ihm steht und die Uracher Bibelanstalt finanziell fördert.
Auch in der Republik Venedig, deren Herrschaftsgebiet im Reformationszeitalter von Oberitalien entlang der dalmatinischen Küste bis hin nach Zypern reicht, und in anderen Teilen Italiens haben sich die lutherischen Lehren früh verbreitet. In dem mit Spanien - im Kampf gegen die Türken - verbündeten Venedig ist die Evangelische Gemeinde allerdings in ihrer Entfaltung stark eingeschränkt: Schon 1520 werden dort die ersten Schriften von Luther beschlagnahmt. Auf Bitten der evangelischen Christen aus Venedig, Vicenza und Treviso, die sich 1542 hilfesuchend an Luther gewandt haben, intervenieren 1543 die Hauptleute des Schmalkaldischen Bundes, Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen, über Matthias Flacius bei dem Senat der Republik Venedig, um die Freilassung des von der Inquisition bedrohten ehemaligen Franziskanermönchs Baldo Lupetino zu erwirken. Lupetino wird zunächst zu lebenslanger Haft und schließlich 1556 zum Tod durch Ertränken verurteilt.
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