10. Philipp der Großmütige und die Homberger "Reformatio" von 1526
Tafel 10: Philipp der Großmütige und die Homberger "Reformatio" 1526
Entscheidender politischer Wendepunkt für die Durchsetzung der Reformation in Deutschland ist der Reichstag zu Speyer 1526: Der Religionskonflikt wird angesichts der Türkengefahr auf ein späteres Konzil vertagt - und Kaiser, Kurfürsten, Fürsten und Reichsstände verständigen sich darauf, dass jeder Herrscher in den Fragen der Religion sich so verhalten darf, wie ein jeder solches gegen Gott und die kaiserliche Majestät ... meint verantworten zu können.
Der hessische Landgraf Philipp ergreift hierauf sofort die Initiative und erlässt bereits im September 1526 eine weltliche Reformationsordnung, der wenig später ein erstes umfassendes kirchliches Reformprogramm folgt, die Reformatio ecclesiarum Hassiae. Philipp hat hierzu im Oktober 1526 eine Synode der geistlichen und weltlichen Stände in Homberg/Efze einberufen, in deren Anschluss Franz Lambert von Avignon (1487-1530) die "Reformatio" ausarbeitet. Die Homberger Kirchenordnung ist am Modell der urchristlichen Kirche orientiert und stellt das gemeindliche Leben in den Mittelpunkt: Die oberste Leitung der Kirche liegt bei einer landesweiten Kirchenversammlung, der Synode, zu der die von den Gemeinden zu wählenden Bischöfe und Laienvertreter einmal im Jahr zusammenkommen. Der Landesherr hat Stimmrecht auf der Synode und kann diese auch einberufen. Vorgesehen sind neben der kirchlichen und theologischen Neuordnung auch grundlegende bildungspolitische Reformmaßnahmen, beginnend mit der Auflösung aller Mönchs- und Nonnenklöster, ihrer Umwandlung in "Schulen der Gläubigen" sowie der Gründung einer Universität zu Marburg.
Luther, der 1526 die oberste Kirchengewalt auf seinen sächsischen Landesherren, Kurfürst Johann, übertragen und damit das System der evangelischen Landeskirchen in Deutschland begründet hat, kann dem umfassenden hessischen Reformationsprogramm wenig abgewinnen und lehnt die auf dem Gemeindeprinzip aufbauende Homberger Ordnung als einen Haufen Gesetze ab. Statt dessen votiert er für eine allmähliche Erneuerung des Kirchenwesens durch obrigkeitliche Visitationen zur Überprüfung der Pfarreien und des Gemeindelebens. Landgraf Philipp lässt sich jedoch nur teilweise umstimmen, zumal Sachsen in der Frage der Auflösung und Umwandlung der Klöster deutlich hinter Hessen zurückgeblieben ist und hier kaum als Vorbild dienen kann. Immerhin rückt Philipp von einer konsequenten Umsetzung des Synodalprinzips als Grundlage der Reformation in Hessen ab und entscheidet sich - durchaus in Konkurrenz zum späteren kursächsischen Visitationsmodell - für ein stärker obrigkeitliches Vorgehen. Insgesamt werden wichtige Kernpunkte des Homberger Modells sukzessive realisiert, und das hessische Reformationsprogramm wird in vielerlei Hinsicht zum Vorbild für andere Fürsten in Europa.
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