2. Neuzeitliches Denken und Humanismus
Tafel 2: Renaissance und Humanismus
Parallel zu den Entwicklungen beginnt Mitte des 14. Jahrhunderts in Italien eine intellektuell-kulturelle Bewegung, die unter dem Namen Renaissance – Wiedergeburt der Antike – bekannt geworden ist und die sich im 15. Jahrhundert in ganz Europa ausbreitet. Die Renaissance geht von einem neuen Menschenbild aus, in dem der tätige Mensch im Zentrum der Schöpfung steht. Daraus leitet sich ein neuer Begriff ab: der des Humanismus. Die Humanisten sprechen der Philologie und der Philosophie eine zentrale Rolle zu und versuchen, ihre neuen Konzepte mit den Lehren und Traditionen der Auslegung der Heiligen Schrift zu verbinden.
Mit dieser christlich geprägten Wiederbelebung der Antike gelingt die Durchsetzung eines positiven, offeneren Menschenbildes wie auch einer toleranteren Auffassung anderen Religionen gegenüber. Dies zeigt z.B. die Schrift De Pace Fidei von Nikolaus von Kues, in der jeder menschlichen Seele, egal welcher Religion sie angehöre, Anteil am göttlichen Sein zuerkannt wird. Auch Renaissancekünstler wie Raffael, Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Michelangelo u.a. setzen sich mit den Kunstwerken der Antike auseinander und rücken Mensch und Natur in den Mittelpunkt ihres Schaffens.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kommt es in ganz Europa zu Reformtendenzen in der christlichen Welt. Die neuen Denkansätze orientieren sich am Humanismus, sprechen sich für eine Rückkehr zum Urtext der Bibel und für individuelle Spiritualität aus und werten so kirchliche Hierarchien, Heiligen- und Reliquienverehrung und bloße Ritualerfüllung ab.
Der bedeutendste Humanist ist Erasmus von Rotterdam (1466/69-1536). Als im Griechischen und Hebräischen bestens ausgebildeter Philologe legt er 1516 eine kritische Edition des Neuen Testaments vor und revidiert so die bis dahin gebräuchliche lateinische Fassung, die sog. Vulgata. Ebenso veröffentlicht er Werke verschiedener antiker Schriftsteller im Urtext. In Deutschland besitzt – ähnlich wie Erasmus – der Humanist und Hebräist Johannes Reuchlin (1455-1522) großen Einfluss.
Ein enger Freund von Erasmus ist der Engländer Thomas Morus (1478-1536), der 1516 sein Buch Utopia veröffentlicht. Die Utopia ist der humanistische Entwurf einer idealen Gesellschaft, die auf den Grundsätzen der Gleichheit und der religiösen Toleranz beruht.
Zwei Ereignisse prägen die Renaissance in entscheidender Weise: Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg (ab 1450) revolutioniert die herkömmlichen Methoden der Buchproduktion und löst eine Medienrevolution aus. So können die Erkenntnisse des Humanismus schnelle Verbreitung finden; die heftig geführten Auseinandersetzungen der Reformationszeit sind ohne die gedruckten Kampfschriften und Flugblätter nicht zu denken. Zum anderen verändert die Entdeckung Amerikas (1492) und die Bestätigung der Kugelform der Erde die Vorstellung von der Welt.
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