11. 180 Marburg 4826: Judenangelegenheiten 1941 - 1947
Titelbild: Auszug aus Blatt 65v
Die Akte "180 Marburg, Nr. 4826: Judenangelegenheiten 1941 - 1947" umfasst ca. 115 Dokumente, von denen ein guter Teil in diesem Ausstellungsraum in digitalisierter Form vorliegt (besonders ausführlich: der Fall Wetterau).
Die Akte dokumentiert primär den Schriftverkehr zwischen der Geheimen Staatspolizei, den Landräten und Bürgermeistern. Ein großer Teil der Dokumente befasst sich mit Anträgen zur Ausbürgerung , bzw. Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft von jüdischen Bürgern: Die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Kassel, fordert persönliche Daten vom Landrat an, um zu prüfen, ob betreffende jüdische Person dem Reichs- und Preußischen Minister des Innern zur Ausbürgerung "vorgeschlagen" werden kann, bzw. zur Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft. Die Daten werden vom Landrat erhoben und an die Gestapo gesandt. Hier wurden beispielhafte Anträge erfasst, die einen Eindruck über den Wortlaut und Inhalt der Untersuchungen geben sollen. Das Frageraster enthält folgende Punkte:
Staatsangehörigkeit, Konfession, Lebenslauf, Politische Betätigung (vor und nach dem 30.01.1933), Angabe der Vermögenswerte, politische Einstellungen, Vorstrafen, Familie, sowie das mögliche Abonnement marxistischer Presse o.ä. Das Erkenntnisinteresse der Gestapo geht soweit, dass auch Daten über Familienangehörige explizit nachgefragt werden.
Weitere Dokumente beleuchten verschiedene Facetten von "Judenangelegenheiten". Ein Bericht der Gestapo ordnet die Festnahme der Juden Moses Schirling, Louis Israel Höxster, sowie Jeanette Sara Stern an. Diese stünden in zu enger Verbindung "mit den deutschen Volksgenossen". Sie sollen daher der Landesarbeitsanstalt Breitenau zugeführt werden.
Ein anderes Dokument bezieht sich auf die staatspolizeiliche Sicherstellung jüdischen Vermögens. In diesem Zusammenhang steht auch die Abgabe jüdischer Kleidungsstücke, Altkleider, Spinnstoffe und Pelze von 1942. Die Durchführung und Organisation obliegt dem Bevollmächtigten der Juden in Kassel, Hans Isreal Oppenheim.
Ein Schriftstück zeigt das Schreiben des Reichswirtschaftsministers Walther Funk betreffend die "Entjudung des nicht land- oder forstwirtschaftliche genutzen Grundbesitzes."
Ferner dokumentiert diese Akte auch die Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft. In diesem Fall betrifft dies das Verbot an Juden, sich von deutschen Friseuren bedienen zu lassen.
Zur genauen Erfassung deutsch-jüdischer Mischehen wendet sich die Gestapo an die Landräte. In diesem Zusammenhang steht der "Fall Wetterau". Der Gendarmeriebeamte Hans Wetterau heiratete die "Vollblutjüdin" Ida Sara(h) Wetterau, geb. Kaiser. Dieser Fall schildert exemplarisch die Bandbreite der Judenverfolung: Die Jüdin Sara Wetterau stünde in zu engem Kontakt mit der deutschen Bevölkerung. Ihr Verhalten und Auftreten in der Öffentlichkeit sei zu dreist. Zahlreiche Deutsche würden sich mitschuldig machen. Sie habe negativen Einfluss auf ihren Ehemann, der ehemals ein aktives Mitglied der NSDAP gewesen sei, bereits schon vor der Machtergreifung. Auf Grund dieser Vergehen müsse sie in ein Konzentrationslager eingewiesen werden (Dieser Antrag wird abgelehnt). Ein Ausspruch aus einem Schreiben der NSDAP Ortsgruppe Lohen war titelgebend für das Buch "mit Rumpf und Stumpf ausrotten .. Zur Geschichte der Juden in Marburg und Umgebung nach 1933" von Günther Rehme und Konstantin Haase 1.
1. Günther Rehme/Konstantin Haase: mit Rumpf und Stumpf ausrotten ... Zur Geschichte der Juden in Marburg und Umgebung nach 1933, Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 6., Marburg 1982.
Bearbeitet von Christian Siekmann
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