"Der Korrespondent von und für Deutschland" wurde 1804 gegründet und wurde in Nürnberg verlegt. Nürnberg als Handelsstadt verschaffte dem "Korrespondent" den Vorteil, über die vielen Handelsreisenden sehr leicht an überregionale Informationen heranzukommen. Zudem verfügte die Zeitung über ein europaweites Briefkorrespondentennetz, was die Informationsdichte weiter erhöhte. "Der Korrespondent" hatte zwischen 1829 und 1880 zwei jüdische Chefredakteure. 1890 wurde "Der Korrespondent" in "Generalanzeiger für Nürnberg" umbenannt, der heutigen Nürnberger Zeitung.
Transkription:
Kassel, 7. Sept. Auch in hiesiger Residenz hat vor einigen Tagen unter dem Schuz der Nacht ein kleiner Erzeß gegen die Juden Statt gehabt. Ein Haufe Menschen versammelte sich plözlich des Abends auf dem Königsplaze vor dem Hause des jüdischen Bankiers Aron Gand und begrüßte denselben mit dem bekannten Losungsworte, ganz so, wie angesehenen und vornehmen Personen ein Vivar gebracht zu werden pflegt. Weder den Soldaten von dem benachbarten kölnischen Thore noch den herbeieilenden Polizeidienern wollte es gelingen, ein Mitglied der verwegenen Gesellschaft handfest zu bekommen. In dem jüdischen Hause fand man während dieses Vorfalls für gut, sogleich alle Lichter auszulöschen. Der jüdische Bankier hat sich den andern Tag bei der Polizeidirection über diesen Vorfall beklagt und um Schuz für die Zukunft gebeten. Dieser ist demselben so wie seinen übrigen Glaubensgenossen zugesichert, jedoch auch den Juden Bescheidenheit empfohlen worden. Seit der Zeit bemerkt man mit Vergnügen, daß die hiesigen Juden in ihrem Betragen, wo sie mit Christen zusammentreffen, äusserst vorsichtig sind.
Frankfurt, 3. Sept. Die Messe will noch immer nicht an Lebhaftigkeit gewinnen. Viele auswärtige Juden scheinen, aus Besorgnis vor der Wiedererneuerung von Unruhen, weggeblieben zu seyn. In der That war das Gerücht in Umlauf, die Messe werde Gelegenheit darreichen, einen neuen Aufstand gegen die Juden zum Ausbruch zu bringen. In der Ferne war die Größe der gegen die Juden hier Statt gehabten Erzesse sehr übertrieben worden, wie die noch vor dem Beginnen der Messe von allen Seiten eingelaufenen Handelsbriefe darthun. Nicht wenige Juden des Auslandes, die bisher Jahr aus Jahr ein die Frankfurter Messe bezogen, hielten es, unter den Statt habenden Umständen, für rathsam, bevor sie ihre Reise antraten, bei ihren Handelsfreunden hier an Ort und Stelle anzufragen, ob sie mit Sicherheit kommen könnten und während ihres hiesigen Aufenthaltes für ihre Person und ihr Eigenthum nichts zu besorgen haben dürften, und ob ihnen gleich in dieser Hinsicht die beruhigendsten Zusicherungen ertheilt worden waren, so scheint übertriebene Furcht dennoch Viele, besonders solche, welche weite hin- und Herreisen zu unternehmen hatten, davon abgehalten zu haben. Da die fremden Juden hier auf den Messen bedeutende Einkäufe zu machen pflegen, so ist ihr Ausbleiben bei den Meßgeschäften allerdings merklich, und die Klage über Mangel an Einkäufern unter den gegenwärtigen Umständen wohl nicht grundlos. Die Verhältnisse und das Verfahren der Juden sind es indessen nicht allein, welche die Geschäfte auf der diesjährigen Messe verderben. Die für den Handeln und Verkehr überhaupt so nachtheiligen gegenwärtigen Konjunkturen zeigen ihre Wirkungen in diesem Jahre noch weit auffallender, als im vorigen. In den Niederlanden legt der große Transitzoll dem freien Handel und der Schifffahrt auf dem Rhein beträchtliche Hindernisse in den Weg. Preussen, dessen gebiet sich von einem Ende Norddeutschlands bis zum andern ausdehnt, hat sich mit einem Gurt von Douanen gegen das übrige Deutschland umgeben, so daß die Waaren, welche aus den preussischen Provinzen kommen, oder dieselben berühren, der preussischen Regierung steuerbar werden, ohne daß, wenn sie für das Ausland bestimmt sind, ein Rufzoll vergütet wird. Der preussische Zolltarif ist zugleich so beträchtlich, daß die Kaufleute und Fabrikanten, im Fall des Nichtverkaufs ihrer Waaren auf der Messe, nicht im Stande sind, dieselben wieder zurückzuführen, daher es vorziehen müssen ,sie selbst mit Nachtheil loszuschlagen, um sich nur nicht in der Nothwendigkeit zu befinden, von Neuem die preussische Douanenlinie zu betreten. Dazu kommt nun noch, daß auch andere deutsche Regierungen gegen die preussische Douanengesetze Repressalien in Anwendung gebracht haben, und an ihren Grenzen gegenwärtig dem preussischen Zolltarif gleiche Abgaben und Transitogebühren erheben lassen, so daß eine Waare, ehe sie zur Frankfurter Messe an Ort und Stelle kommt, so vielfachen Taxen und Abgaben bei der Berührung verschiedener Gebiete unterworfen ist, daß für den Handelsmann, bei der Ungewißheit des Absatzes, immer bedeutendes Risiko vorhanden ist. Die diesjährige hiesige Messe zeigt auf eine recht in die Augen springende Weise die Nachtheile, welche aus dem Mangel an allgemeinen, den innern freien Verkehr begünstigenden Maßregeln und Anordnungen entspringen. Das Hausiren der Juden ist diesmal auf der Messe verboten. Sehenswürdigkeiten sind diesmal wenig auf hiesiger Messe, Sie reduzieren sich fast auf einen ungeheuer fetten Ochsen. Da der Wollgraben bisher zum Lokal für die Schaubühnen und Buden, in welchen dergleichen Sehenswürdigkeiten gezeigt wurden, diente, diese Gegend der Stadt aber zu nahe dem Judenquartier ist, und die Versammlung vieler Menschen an diesem Orte neue Erzesse befürchten ließ, so hat man es vorgezogen, das Aufschlagen der Schaubühnen und Buden dort nicht zu gestatten, und die Erlaubnis denen, die darum nachsuchte, zu versagen. Und da es zu diesem Behuf kein anderes Lokal gibt, so sehen sich die Meßfremden diesmal des Vergnügens, das ihnen sonst mancherlei Sehenswürdigkeiten hier gewährten beraubt. Man sagt zwar, daß dieß gegen die Meßfreiheit sei, aber höhere Rücksichte, welche die Aufrechthaltung einer ungestörten öffentlichen Ruhe während der Meßzeit bezwecken, scheine diese Maßregel nothwendig gemacht zu haben.
Arbeitsaufträge:
1. Beschreiben Sie anhand des Berichts aus Kassel die Atmosphäre gegenüber den Juden.
2. Aus Frankfurt wird über den Verlauf einer Messe berichtet. Wie wirken sich die Hepp-Hepp-Krawalle auf das Verhalten der jüdischen Händler aus. Und welche Auswirkungen müssen die Krawalle auf den Erfolg der Wirtschaftsmesse gehabt haben?
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.