Josel berichtet über die wichtigsten Ereignisse von 1520: Beim Kaiser und die Vertreibungsbedrohungen im Elsass
Dieser Bericht aus Josels Memoiren schildert in aller Kürze, wie Josel vom frischgekrönten Reichsoberhaupt, König Karl V., ein Privileg erhielt, das Rechte und Freiheiten sämtlicher Juden im Reich versicherte. Dass dieses durch Karl V. selbst unwirksam gemacht wurde, wird uns auch in diesem Bericht erzählt. Die Städte Rosheim und die Vogtei Kayserberg bekamen das sogenannte Recht des De non tolerandis Judaeis und sie wollten von diesem Recht auch Gebrauch machen. Zwar datiert Josel diese Ereignisse auf das Jahr 1520 („im gleichen Jahr“). Dies scheint aber ein Fehler zu sein, der dadurch zu erklären ist, dass sich die Episoden tatsächlich innerhalb wenigen Monaten ereigneten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Josel das Privileg erst im November 1520 erhielt und die Städte ihre Freiheiten gegen April 1521. Die Tatsache, dass Josel seine Memoiren 1547 verfasste, unterstützt die These, dass eine Verwechslung der Daten vorliegt.
Es ist zwar eine sich widersprechende Angelegenheit, dass Karl V. den Städten die Vertreibung der Juden gestattete, einige Monate nachdem er den Juden ihre vollen Rechte gewährt hatte. Diese Praxis war aber nicht ungewöhnlich für die Zeit. Immer wenn es um die Juden ging, waren mehrere Interessen (politische, religiöse, wirtschaftliche) im Spiel. Es ist auch anzunehmen, dass Karl V. in der Zeit am Wohlbefinden der Juden nicht besonders interessiert war. Das lag zum einen an der Tatsache, dass der Monarch, der gerade erst zum Kaiser gewählt wurde, seine Macht im Reich noch nicht ausbauen konnte und trotzdem mit schwerwiegenden Problemen, wie der beginnenden Reformation und der Türkengefahr, konfrontiert war. Zum anderen lag es vermutlich an seiner Herkunft aus dem Königshaus in Spanien, das knapp 30 Jahre davor alle Juden aus dem Land vertrieben hatte. Darüber hinaus ging der Vertreibung eine lange Zeit der Verfolgungen voraus, die teilweise protorassistisch motiviert war. Allerdings erkennt man hier eindeutig, dass der Monarch den Juden gegenüber nicht feindselig eingestellt war (Siehe mehr dazu im Ausstellungsraum Karl V. und die kaiserliche Judenpolitik ).
Übersetzung (Nach Fraenkel-Goldschmidt):
Im Jahre 5280 (1519/20), wurde unser Herr, Kaiser Karl [1], zum König gekrönt. [2] Ich ging zu ihm und zu seinen Dienern, um für unser Volk und unser Erbe [3] zu plädieren. Wir (das sind ich und der Mann, der mit mir da war) [4] erhielten flächendeckende Privilegien für ganz Deutschland. Dennoch [5] wurden im gleichen Jahr Freiheiten erteilt, welche die Austreibung der Juden aus Rosheim und aus der Vogtei in Kayserberg verordneten. Mit Gottes Hilfe, gesegnet sei ER, intervenierte ich beim Kaiser und es gelang mir, die Vertreibung aus der Vogtei in Kayserberg zu verhindern, indem die spezifische Freiheit der Vertreibung annulliert wurde. Allerdings wurde die Freiheit [6] der Stadt Rosheim nicht aufgehoben [und auch ihre Entscheidung wurde nicht rückgängig gemacht]. Durch große Anstrengungen und mit großen Schwierigkeiten konnten wir immer wieder eine Verschiebung [7] des Mandats erwirken. Bis heute wissen wir immer noch nicht, [wie die Sache ausgehen wird] und wir können nichts anderes tun, als unserem Vater im Himmel zu vertrauen. ER wird uns erlösen und uns von [unseren] Angreifern retten. Möge dies sein Willen sein. Amen.
[1] Im Text: Karolin
[2] Im Text: yatsa...limlokh; kann auch als „gewählter Kaiser“ verstanden werden.
[3] Nach 5. Buch Mose: „verderbe dein Volk und dein Erbteil nicht“ (mit den notwendigen Veränderungen).
[4] Es ist unklar, wen Josel meint.
[5] Trotz des erteilten Privilegs autorisierte Karl V. die Vertreibungsbefehle, die hier folgen.
[6] Im Text: kiyumim; Rechtsstatuten. Im damaligen Sprachgebrauch Freiheit. Ohne in eine Diskussion darüber zu gelangen, ob das Wort Kiyum ursprünglich „Niederlassungs- und Arbeitsrecht für Juden“ bedeutete, kann man hier mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen, dass die Bedeutung des Worts in diesem Zusammenhang „ein beglaubigtes Dokument“ ist.
[7] Im Text: zemani(n) ahar zemani(n), = noch mal und nochmal (Aramäisch). Hier mit der Bedeutung: Verschiebung nach Verschiebung.
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.