Bericht von Generalmajor a.d. Kurt Hassel (1970)
Ähnlich wie in den Kaltenbrunner-Berichten über den in seinen Aussagen sehr zurückhaltenden Trott zu Solz angemerkt, wurde auch Fellgiebels Urteilsvollstreckung hinausgeschoben, weil man vermutete, noch einer landesverräterischen Tätigkeit auf die Spur zu kommen, für die es aber tatsächlich keinen Anhalt gab.
Ich sah damals Fellgiebel im Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße. Wie alle zum Tode Verurteilten war er an Händen und Füßen gefesselt. Die Handfesseln wurden nur zum Waschen abgenommen. Auch das Essen mußte mit den Schellen an den Händen eingenommen werden. Ich erfuhr, daß man Fellgiebel bei den Verhören so geschlagen und gefoltert habe, daß er für einige Zeit unfähig war, zu stehen oder zu gehen. In der Not dieser Torturen hat er wohl auf die Frage, wer denn seine Mitverschworenen gewesen seien, da er doch unmöglich alles allein gemacht haben könne, ganz unbestimmt erklärt, es sei möglich, daß Thiele, Hassel und Hahn etwas davon wüßten.
Am 11. August war ich mit Thiele in dessen Büro verabredet. Die Sekretärin ließ mich ein, ohne mir eine Andeutung über das Schicksal ihres Chefs zu machen. Bei Betreten von Thieles Zimmer kamen mir zwei Gestapo-Beamte in Zivil entgegen und fragten mich, ob ich Oberst Hassel sei. Als ich das bejahte, sagte mir einer der beiden, daß er den Auftrag habe, mich zu verhaften. In der Prinz-Albrecht-Straße angekommen, sah ich auf dem Tisch des Einlieferungsbüros Thieles Aktentasche mit der bekannten grünen Telefon-Kladde liegen. Dies gab mir die Gewißheit, daß Thiele auch bereits in Haft war, und er sich mit seinen mit großer Gewissenhaftigkeit — auch über die konspirative Tätigkeit — gemachten Notizen ohne Zweifel selbst schwer belastete.
Ich blieb in der Gestapo-Haft bis zum 25. April 1945. Zu diesem Zeitpunkt verließ die SS-Bewachung aus reinem Selbsterhaltungstrieb das Gefängnis und überließ die Gefangenen alten Gefängnisbeamten. Mit 33 gefangenen Offizieren und Mitverschworenen gelang es uns, an diesem Tage kurz vor der Besetzung Berlins, das Gefängnis zu verlassen (dabei auch Noske und Hermes) und in meiner halbzerstörten Wohnung eine vorläufige Bleibe zu finden. Am 9. Mai wurde ich erneut von den Russen gefangengenommen und habe 31/2 Jahre in 18 Lagern Rußlands verbracht.
zitiert nach: Kurt Hassel, Kaltenbrunner: „Falsch oder richtig“?, in: Karl Heinz Wildhagen (Hg.), Erich Fellgiebel. Meister operativer Nachrichtenverbindungen, Hannover 1970, S. 266
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