Augsburger Judenprivileg Karl V., auf Klagen des Joseph von Rossum [Josel von Rosheim] unter Bestätigung des Judenprivilegs von Speyer 1544, gegeben am 30. Januar 1548
Als Kaiser Karl V. dieses Privileg bestätigte, befand er sich auf der Höhe seiner Macht. Er konnte in den Jahren zuvor die Grenzen seines Reiches vor einer auswärtigen Gefahr sichern, indem er einen Vertrag mit den Türken abschloss, der den Krieg vorübergehend beendete. Zeitgleich konnte er Franz I. von Frankreich militärisch besiegen und diesen im Frieden von Crépy dazu zwingen, sein Bündnis mit den Türken aufzugeben. Auch nach innen konnte der Kaiser seine Macht festigen und ausbauen. Sein Sieg im Schmalkaldischen Krieg und die Gefangennahme der Anführer der Protestanten, Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen, brachte ihn in eine sehr günstige Position, aus der er auf dem Reichstag in Augsburg 1548 seine kirchenpolitischen Vorstellungen weitgehend durchsetzen konnte. Unter anderem gelang es ihm, „mit der Kircheneinheit und Kirchenreform auch das Verhältnis zu der Judenschaft des Reiches auf der Basis des kanonischen Rechts zu klären“.
Diese Macht schlug sich vor allem in den verabschiedeten Bestimmungen der Reichspolizeiordnung dieses Reichstags nieder, die dann zum ersten Mal das Geldgeschäft auf Reichsebene rechtlich erlaubte. Aber auch die Bestätigung des Privilegs von 1544 kann zugleich als Anzeichen dafür angesehen werden, dass der Kaiser darauf vertraute, dass sein Befehl nun aufgrund der veränderten politischen Situation und aufgrund seiner dazu gewonnenen Macht befolgt würde.
Wortlaut des Privilegs:
Wir Karl der fünft, von Gotts gn. röm. kaiser , zu allen zeiten merer des reichs, in Germ., zu Hisp., baider Sicil., Jherus., Hung., Dalm., Croat. etc. kunig, erzherzog zu Osterr., herzog zu Burg. etc., grave zu Hapsp., Fland. u. Tyrol etc., empieten allen und jegl. churfürsten, fürsten, gaistlichen u. weltl., prelaten, graven, freien, herren, rittern, knechten, hauptl., landvögten, vitzthumben, vögten, pflegern, verwesern, amtl., schulth., burgerm., richtern, räthen, burgern, gemeinden und sunst allen andern unsern und des reichs underth. und getreuen, in was wirden, stadts oder wesens die sein, den diser unser brief od. glaubwird. abschrift davon fürkumt, damit ersucht und ermanet werden, unser gnad und alles guts. Hoch- und ehrwirdigen, hochgebornen lieben freund, neven, ohaimen, churfürsten und fürsten, wolgebornen, edlen, ersamen, andächtigen und lieben getreuen!
Uns hat Josel jud von Rosshaim, unser gemainer jüdisch. im hail. reiche teutscher nation bevelchhaber, clagsweis fürgebracht, wie das etliche juden über und wider ire freihaiten, privilegien, schutz, schirm und glait, damit si von bäpsten, gemainen concilien, unsern vorfarn am reiche, röm. kaisern u. künigen, säliger u. lobt. gedächtnus, uns u. dem hail. reiche gnädigl. begabt und fürsehen weren, auch unsern und des hail. reichs aufgerichten landfriden, und sonder]. auch wider unser kais. mandat, derselben unserer gern. jüdisch. halben auf unserm nächstgehaltenem reichstag zu Speyr des 44. jars1 der mindern jarzal ausgangen, uber das, so ainem jeden, so spruch und vorderung zu inen samtlich oder sonderl. zu haben vermaint, vor uns, unserm kais. cammergericht od. an den enden, da sich dasselb gebüre, rechtens nie vorgewesen und noch nit seien, gewaltiglich, fürneml. auf unser und des hail. reichs strassen, und auch in etl. stetten, märkten und dörfern an iren leiben, haben u. gütern mit mörden, todschlagen, rauben, wegfüren, gefengnus, austreibung irer heusl. wonungen, zerstörung und versperrung irer sinagogcn und schulen, auch an glait- und zollgelt merklichen beschedigt, helaidiget, beschwärt und gestaigert werden. Und wiewol sie etlich aus euch diemütigl. angerufen u. gebeten, gegen denen, so sie also beschedigt und beschwärt, nach vermüg des reichs landfridens, unser schutz, schirm und glaits zu handlen, auch bei iren freihaiten, privilegien, schutz, schirm und glait beleihen und sie darüber obbemelter massen nit dringen oder belaidigen zu lassen, so haben sie doch bei euern ains teils dasselb nit bekommen noch erlangen mögen. Das gemainer jüdisch. zu merkl. beschwärung, schaden und nachtail reichte, und sich des gegen uns abermals höchl. beschwärt und uns darauf diemüt.igl. angerufen und gebeten, gemainer jüdisch. hierin mit unser kais. hilf gnädigl. zu erscheinen, die zu schützen und zu schirmen. Und dieweil uns dann als röm. kaiser gebart, ainen jeden bei recht und seinen habend. freihaiten zu handhaben und vor unbilliebem gewalt zu schützen u. zu verhüten, des auch zu thun genzl. gemaint sein, und darauf die gemelt jüdisch. hievor in unsern u. des hail. reichs schutz und schirm genommen und ine unser u. des reichs freie sicherh. und glait für gewalt u. zu, recht gegeben haben laut unsers briefs, darüber ausgangen:
Demnach gebieten wir euch allen und euer jedem insonders bei vermeidung unser u. des reichs schwären ungnod und straf u. den peenen, in jetz gedachtem unserm schutz, schirm und glaitbrief u. der jüdisch. freihaiten u. privilegien begriffen, von röm. kais. macht ernstl. mit disem brief und wöllen, das ir dieselb unser gern. jüdisch. samentl. u. sonderl.'bei ohbestimten bäpstl., gemainer concilien, aller unserer vorfarn am reiche u. desselben zugethanen fürstenthurnben, grafschaften, hersch., landen, stetten u. gebieten sicher handlen u. wandlen lasset u. darüber ir leib, hab od. güter nicht. beschediget od. belaidiget, auch in gemaine od. sonderh. von iren heusl. wonungen,. schulen u. sinagogen aigenthätlichs fürnemens nit treibet, noch. die zerstöret od. versperret, auch si mit neuem, ungewonl. zoll u. glaitgelt u. sonst in ander weg wider alt herkommen, recht u. billichait nit beschwäret, dringet od. staigert, noch jemands andern zu thun bevelhet, schaffet od. gestattet, auch den thätern, so also dieselb jüdisch. samtl. od. sonderl. wid. des reichs landfriden, unser kais. schutz, schirm u. glait u. disem unserm gebot u. mandat an irem leib, hab od. güte angreifen, vergwaltigen, u. beschedigen wurden, kaine hilf, fürschub . noch beistand, haiml. noch offentl., nit beweiset, in kain weise noch wege, als lieb euch u. ainem jeden seie obberürte peen u. straf zu vermeiden. Das mainen wir ernstl. Mit. urk. ditz briefs besieg. mit unserm kais. aufgetrucktem insieg.
Geben in unser u. d. reichs st. Augspurg am 30. januarii 1548 etc.
Carolus, Ad m. Cass. et Cath. maiest. pr. Jo. Obernburger.
Vt Max. Archidux.
Vt E. A. Berenot.
gedr. mit Siegel, Bez.-Arch. Strassburg, C. 78.
Gedruckt bei: Ludwig Feilchenfeld, Rabbi Josel von Rosheim. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Deutschland im Reformationszeitalter, Straßburg 1898, Dok. XXIII., S. 195-196
Lit.: Friedrich Battenberg, Das Europäische Zeitalter der Juden. Bd. I: Von den Anfängen bis 1650, Darmstadt 1990 (2. Aufl. 2000), S. 188-190 (mit sw. Abb.)
1 Das Große Judenprivileg Kaiser Karl V., gegeben zu Speyer, 3. April 1544 > Dokument
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