Das Große Judenprivileg Kaiser Karl V., gegeben zu Speyer, 3. April 1544 [> Transkription]
Insert in einer Bestätigung dieser Privilegien durch Kaiser Rudolf II. zu Breslau am 15. Juni 1577, überliefert in einer gleichzeitigen Abschrift eines von der Stadt Frankfurt gefertigten und gesiegelten Transsumpts vom 1. Febr. 1608.
Regest
Kaiser Karl V. bekundet, daß sich die Juden des deutschen Reiches vor ihm zu Speyer darüber beklagt haben, daß man sie an ihrem Recht, sich gegen Klagen vor dem Kaiserlichen Kammergericht oder den in ihren Privilegien genannten Gerichten zu verantworten, hindert und sie "gewaltigelich, fraventlich und muetwillig an ihren persohnen, leiben, haab und güettern mit tottschlagen, rauben, wegfüren, außtreibung ihrer heußlichen wohnungen, versperung und zerstörung ierer schuellen und sinagogen, deßgleichen an gelaiten und zollen belaidigt und beschwerdt" und sie auf diese und andere Weise am Erwerb ihres Unterhalts hindert. An manchen Orten des Reiches werden die Juden "nit allain ierer haab und güetter entsetzt, geblündert und außgetriben, sondern auch ohne alle unser rechtliche erkhanndtnuß gefangen, gepeiniget, vertilgt und umb leib und guett" gebracht.
Deswegen erneuert Kaiser Karl den Schutz der Juden und bestätigt ihre Privilegien. Niemand soll fortan das Recht haben, ihre Schulen und Synagogen zu schließen, sie aus denselben zu vertreiben oder sie an ihrem Gebrauch zu hindern. Wer immer künftig Jude oder Jüdin dem verkündeten kaiserlichen Landfrieden zuwider am Leben oder an Hab und Gut schädigt, ihn heimlich oder öffentlich beraubt, soll von jeder Obrigkeit und auf Anrufen eines jeden der Landfriedensordnung gemäß gestraft werden. In Kriegs- wie in Friedenszeiten soll jeder Jude das Recht haben, seinen Geschäften im Reich zu Wasser und zu Land nachzugehen, und jede Obrigkeit ist gehalten, ihm Geleit zu gewähren und ihn mit Zoll- oder Mautgeld nicht mehr als herkömmlich ist zu beschweren. Die Juden sind nicht verpflichtet, bei ihren Reisen außerhalb ihrer Wohnorte oder der Orte, durch die sie ziehen, "judische zeichen" zu tragen. Ohne ausdrückliche Zustimmung des Kaisers soll kein Jude von seinem Wohnort vertrieben werden, wie dies bereits das am 18. Mai 1530 zu Innsbruck erlassene kaiserliche Privileg [1] festlegt.
Da die Juden höher besteuert werden als die Christen, im Gegensatz zu diesen aber weder liegende Güter noch "statliche handtierung, ampter oder handtwerkh" haben und die Abgaben nur von dem, "so sy von ieren parrschafften zuwegen bringen", bestreiten können, so wird ihnen gestattet, daß sie "iere paarschafften und zinß ... umb sovill desto höcher und etwaß weitters und mehrers, dann den cristen zuegelassen ist, anlegen". Ohne hinreichende Beweise und Zeugen ist jedem untersagt, die Juden des Gebrauchs von Christenblut zu beschuldigen oder einen Juden deswegen gefangenzunehmen, zu foltern oder hinzurichten, denn diese Verdächtigung wurde bereits durch die Päpste verworfen und durch eine Deklaration Kaiser Friedrichs [2] untersagt. Wo solche Beschuldigungen erhoben werden, sind sie vor den Kaiser zu bringen. Verstöße gegen dieses Privileg werden mit 50 Mark lötigen Goldes geahndet, die halb der kaiserlichen Kammerkasse, halb der geschädigten Judenschaft zu zahlen sind.
Regest zit. nach Uta Löwenstein, Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg 1267-1600, Bd. 1, Wiesbaden 1989, S. 393-394
[1] Innsbrucker Judenprivileg Kaiser Karl V. vom 18. Mai 1530.
[2] Judenprivileg Kaiser Friedrich II., Juli 1236 siehe Dokument>
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