Stellungnahme Oberbürgermeister Eugen Siebeckes zum Antrag des Staatspolitischen Ausschusses (Dok. 2 vom 15. 5. 1945)vom 19. 5. 1945
Der Oberbürgermeister der Stadt Marburg a. d. Lahn
An die
Amerikanische Militärregierung [38]
Marburg a. d. Lahn
Marburg a. d. Lahn
19.Mai 1945.
Anliegend übersende ich eine Darstellung meines Staatspolitischen Referenten über die Aufgaben des staatspolitischen Ausschusses. Ich habe diesen Ausführungen nichts hinzuzufügen, weil sie vollkommen meinen Anordnungen entsprechen.
Ich weise aber darauf hin, daß dieser Ausschuß ohne mein Wissen unter der Hand sehr viel größer geworden ist, als ich dies gewünscht habe. Seine Arbeit wird darunter nur leiden.
Ich weise ferner darauf hin, daß dieser Ausschuß noch nicht das politische Element enthält, das ich in ihm vertreten sehen möchte. Ich darf daran erinnern, daß ich Ihnen, verehrter Herr Major,[39] wiederholt gesagt habe, daß es unter den konservativen Politikern Persönlichkeiten gibt, auf deren Mitwirkung - wenn es einem ehrlich um die Schaffung der geistigen Grundlagen wahrer Demokratie geht - man nicht verzichten solle. Ich hatte Herrn Sangmeister gebeten, mir einige konservative politische Persönlichkeiten zu nennen und mir diese vorzustellen. Herr Sangmeister hat diesen Auftrag bis jetzt nicht durchgeführt, weil er offenbar zu diesen Kreisen keine Beziehungen hat. In der Zwischenzeit habe ich aber feststellen können, daß der von mir sehr geschätzte Pfarrer Dr. Ritter der Vertreter dieser politischen Gruppe in Marburg ist.
Ich habe deshalb nunmehr Herrn Pfarrer Dr. Ritter gebeten, den ursprünglich an Herrn Sangmeister erteilten Auftrag seinerseits auszuführen.
>Herr Mütze ist von mir dahin verständigt worden, daß der staatspolitische Ausschuß in der bisherigen Weise nicht mehr zusammentreten darf, weil die Militärregierung nur die Versammlung von höchstens 5 Personen zuläßt. Ich schlage Ihnen folgende Lösung vor: Dem Ausschuß gehören an 5 Mitglieder. Jedem dieser Mitglieder wird das Recht verliehen, seinerseits gegebenenfalls 5 der ihm politisch nahestehenden Persönlichkeiten von Zeit zu Zeit oder von Fall zu Fall zur politischen Information einzuberufen.
Zum Schluß darf ich noch darauf hinweisen, daß der Ausschuß keinerlei konstitutionelle Rechte besitzt und daß seine Wirksamkeit nur beratender Natur ist. Die Bildung politischer Parteien ist angesichts der geistigen Verfassung unseres Volkes im gegenwärtigen Augenblick noch verfrüht.
Siebecke
Anmerkungen:
[38] Stellungnahme Oberbürgermeister SIEBECKES zum Antrag des Staatspolitischen Ausschusses vom 19. 5. 1945. SPA-Akten, Magistratsarchiv Marburg.
[39] Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um Major Westermann, den das Protokollheft des Staatspolitischen Ausschusses Anfang Juni als Verhandlungspartner nennt. Vgl. Sitzungsprotokoll vom 5. 6. 1945, SPA-Akten, Magistratsarchiv Marburg. Gemeint sein könnte aber auch Major Eaton, der erste Kommandant des Detachements in Marburg, der Siebecke und Kroll in ihre Ämter eingesetzt hatte (vgl. oben).
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