Aus der Concordantia Catholica des Nikolaus von Kues, um 1450
Nicolai de Cusa opera, Basileae o. J. De concordantia Catholica, Buch II, cap. 17
Ob das allgemeine Konzil, das die ganze Kirche repräsentiert, über den Patriarchen und dem römischen Bischof steht, kann meines Erachtens nicht zweifelhaft sein. Wenn man auch verschiedenen Ortes liest, die Gewalt des römischen Bischofes stamme von Christus, so zeigt doch die Mehrzahl der Belegstellen, daß der Vorrang der römischen über alle anderen Kirchen auf die Bestimmungen der Apostel und deren Nachfolger zurück-zuführen ist ... Und findet man in den Schriften, der Papst sei der Statthalter Christi, so doch auch, ihm komme Petri Stellvertretung und Sendung zu. Manches ließe sich über dergleichen Verschiedenheiten sagen: so nannten die einen Bischöfe wie Optatus den Papst einen Kollegen, andere, wie im Konzil zu Ephesus, Vater, andere Bruder, Bischof, Erzbischof, Patriarch. Für uns genügt die Feststellung, daß der römische Bischof als Nachfolger Petri von Christus große Privilegien und von seinem Amtssitz her große Gewalt hat – diese Privilegien sind mit dem Amtssitz fest verknüpft –, daß aber jener Vorrang, wodurch der römische Bischof Primas aller Kirchen ist, teilweise auch durch die Menschen und Kirchengesetze begründet wurde .. .
Welcher Mensch mit gesunden Sinnen könnte daran zweifeln, daß es dem allgemeinen Konzil zusteht, für seine Selbsterhaltung und ein heilsames Kirchenregiment gegen einen Mißbrauch und den, der ihn verschuldet, vorzugehen? Ich sage das, ohne die wahre Gewalt und das Privilegium des römischen Stuhles herabsetzen zu wollen. Die Behauptung, das allgemeine Konzil könne über die Vorrechte der römischen Kirche nicht erkennen, ist meines Erachtens falsch, da man doch in den Akten des Konzils von Chalcedon liest, daß es diesen Gegenstand behandelt und darüber geurteilt hat. Deshalb läßt sich ganz allgemein sagen, das allgemeine Konzil habe als Stellvertreter der katholischen Kirche seine Gewalt unmittelbar von Christus und steht in jeder Beziehung sowohl über dem Papst wie über dem apostolischen Stuhl. Diese Thesen beweisen zahlreiche Vorkommnisse, kirchliche Gesetze und Vernunftgründe. [J.. Bühler]
Geschichte in Quellen, Bd. 2, Mittelalter, hg. von Wolfgang Lautemann und Manfred Schlenke, München 1975, 802-03.
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