Johannes Hus, 1415
Siegmund Meisterlins Chronik der Stadt Nürnberg, 1488
Als König Wenzeslaus fünfzig Jahre alt war, fing Hus seine Ketzerei an ... Wenzeslaus war in der Hussitensache verwirrt und bekümmert und starb an Apoplexie.
Nun wir aber zu der Hussitensache gekommen sind, und es gar wenige gibt, die den rechten Ursprung davon wissen, wollen wir ein wenig davon sagen.
Es hatte Kaiser Carolus, der vierte dieses Namens, ein Erzbistum zu Prag errichtet und dabei eine Hohe Schul, die universale studium in allen Künsten genannt wird. Diese Schule ward durch die Deutschen, deren gar viele da waren, regiert. Das duldeten die Böhmen gar ungern und murrten. Nun war einer unter den Böhmen edel und reich, der hatte in England studiert in der Stadt Oxford, und daselbst war er über etliche Bücher kommen, die der Ketzer Wiclef gemacht hat, sie werden de universalibus et realibus genannt. Die schrieb er ab und brachte sie mit sich nach Prag als besonderen Schatz; darin waren etliche Artikel wider die Priester, auch wider den Stand der Christenheit, auch wider die Obrigkeit geistlicher und weltlicher Prälaten. Dieser Meister, der es also brachte, hieß Putripiscis, das ist Faulfisch. Diese Materie teilte er denen mit, die den Deutschen feind waren; unter denen war einer genannt Meister Harms, geboren aus dem Dorf Hus, (nun ist Hus soviel als eine Gans) und war von armen Leuten. Man hielt ihn auf der Schule für einen listigen und geschwätzigen Laien. Als ihm die Bücher Wiclefs bekannt wurden, nahm er sie gierig auf, machte sich an den trunkenen Wenzeslaus und erreichte, daß die Deutschen unterdrückt und geschmäht wurden. Die schworen zusammen, und an einem Tage gingen aus Prag zweitausend Meister und Schüler oder Studenten, nach etlichen Tagen aber dreitausend, die zogen gen Leipzig und richteten dort eine Hohe Schul auf.
Als nun Johannes Hus sie vertrieben hatte und ohne jeden Widerspruch die Schul allein regierte, da hielten ihn die Böhmen für einen gar gelehrten Laien und, da er den Schein eines ehrbaren Lebens führte, für einen heiligen Mann. Da ließ er aus seinem Munde fallen das Gift falscher Lehre, die er lange im Herzen getragen und ausgebreitet hatte; er erhielt auch ein treffliches Predigtamt in der Kirche zu Prag, die man Bethlehem nennt; da fing er an zu sagen von dem Wiclef, wie er so trefflich und wohl geschrieben habe. Dem hingen bald etliche Pfaffen an und lobten ihn dem Volk gegenüber, besonders die, die eine große Schuld begangen oder die solches begangen, daß sie sich nicht trauten, vor ihrem Bischof zu bestehen. Die hatten eine Hoffnung : nehme diese Lehre über-hand, so wollten sie sich wohl behaupten. Zu denen gesellten sich etliche, die gar wohl gelehrt waren und doch keine Gottesgabe oder Pfründe hatten, die beneideten die, die große Pfründen hatten, hofften, ihre Sach würde besser, den Mächtigen eine Gegenpartei zuzurichten. Es schreiben auch etliche, daß es die Königin mit ihnen gehalten habe, die hoch über ihrem Mann stand, der allein zu Hause auf dem Lotterbett schnaufet und manchmal in den Keller und in die Küchen spazieret. Es verblendete auch viele Geistliche der Neid und viele Weltliche die Habgier, daß sie mit sehenden Augen nicht sahen und daß sie wohl verstanden und wollten nicht verstehen und verfielen in Worte, mit denen sie Gott schändeten. Und wiewohl sie vielleicht wider etliche Ungelehrte und die ein schändliches Leben führten, Ursach zu böser Nachrede hatten, so wickelten sich doch darein auch die Gelehrten und Frommen und bellten wie die Hund wider alle Priesterschaft, und beschlossen, sie wollten Waldenser Sekte und Ordnung halten, lehren und predigen, die die folgenden Artikel hielten.
Die Artikel, die da predigen und halten die Hussiten wider die heilige Christenheit:
1. Der Papst ist ein Bischof wie ein anderer Bischof über sein Bistum und nit weiter.
2. Ein Priester ist in aller Gewalt wie der andere und ist unter ihnen kein Unterschied. Welcher Priester besser ist als der andere, das liegt nit an der Prälatur, sondern an der Heiligkeit des Lebens.
3. Wenn eine Seele scheidet von dieser Welt, so hat sie allein zwei Wege, sie fährt sofort gen Himmel oder schnell zur Hölle, was man aber sagt von dem Fegfeuer (nach katholischer Lehre), so erklären die Hussiten, es sei kein Fegfeuer, sondern die Habgier der Pfaffen hab es erdacht, und es sei verloren Ding, daß man für die Toten bitte.
4. Man soll abtun alle Bildnisse, es sei zu Gottes Ehre oder der reinen Jungfrauen Marien oder der Heiligen und so weiter.
5. Daß man Kerzen, Asche, Palmen, Weihwasser und auch die Taufe und ander Ding segne, sei ein lächerlicher Spott.
6. Die Bettelorden und Mönche habe der Teufel erdacht und gefunden.
7. Es sollen alle Priester arm sein und nichts haben denn das Almosen.
8. Wer predigen will, dem sei es erlaubt, er sei Laie oder Priester.
9. Man soll keine Sach leiden in der Christenheit, es seien Frauenhäuser, es sei Spiel, es sei Wucher oder was es sei, darum daß größeres Übel vermieden bleibe.
10. Wer in Todsünden ist, mag weder geistlicher noch weltlicher Richter sein und aller Freiheit beraubt, und niemand soll ihm gehorsam sein.
11. Firmung und letzte Tauf oder Ölung seien nit zu zählen unter die Sakrament.
12. Es sei eine Ursache zum Lügen, daß die Menschen dem Priester ins Ohr beichten.
13. Es sei genug, daß ein jeglicher Mensch in seinem Herzen Gott bekenne.
14. Man soll zur Taufe allein lauteres Wasser nehmen ohne Chrisam oder heiliges Öl.
15. Daß man die Leute in Kirchhöfen begrabe, sei nichts nutz, die Pfaffen haben es erdacht von Gewinnes wegen.
16. Es gelte gleich, wo die Körper zugedeckt werden.
17. Das geziemendste und größte Stift und Gotteshaus, darin Gott soll angebetet werden und die Toten begraben, sei die Welt; die aber Kirchen bauen und Klöster und Kapellen und Bethäuser, die wollen die göttliche Majestät in einen Winkel zwingen, als ob sie nit an allen Stätten könnt gleich gnädig sein.
18. Die zierlichen Gewänder, Meßgewänder, Altartücher, Kappen, Teppiche, Korporale, Kelch, Patenen, Rauchfaß seien unnütze und verlorene Kosten.
19. Ein Priester mag zu jeder Stunde und an allen Stätten das heilige und würdige Sakrament konsekrieren und sogleich denen geben, die es begehren.
20. Es braucht auch der Priester nicht mehr sprechen denn die Worte, darin die Kraft des Sakramentes liegt.
21. Es soll niemand weder die Jungfrau Maria, noch Engel, noch irgendwelche Heiligen anrufen, denn sie können niemand helfen.
22. Es sei eine verlorene Zeit, daß man die sieben Tagzeiten (das Chorgebet) singe oder spreche.
23. Man soll keinen Tag ohne Arbeit sein außer allein am Sonntag, und alle Tage, die den Heiligen zugesprochen sind, aufgeben.
24. Wer an den Tagen faste, die die Kirche angesetzt hat, der erwerbe keine Verdienste.
Zu dem allerletzten, als diese Artikel nun eingewurzelt hatten, da ward erst eingelegt der Artikel, daß man das hochwürdige Sakrament sollt geben den Laien unter beiderlei Gestalt: Brot und Wein; sie predigen, das hätte seinen Grund im heiligen Evangelium, und sprachen, die römische Kirche und die ganze Christenheit wäre unwissend und ungelehrt, weil sie es nit tät, oder aber so neidisch, daß sie es nit tun wollt.
Fragst du, ob auch die vernünftigen Prälaten, geistliche und auch die hochweisen strengen und ehrbaren Ritter, Knechte und Ratgeber, da anhangen solcher finnigen Lehre, wisse die Antwort also: dulcis est panis Christi et prebet delicias regibus; mit Gott isset man gerne, und sein Brot ist süß, und die Fürsten haben ihre Lust daran. Denn die Großmächtigkeit der Priesterschaft und die große Menge der Klöster, die Carolus und Johannes sein Vater hatten in dem Reich Böhmen gestiftet, war denen ein Dom im Auge, die da Hoffnung hatten, wenn Hus seine Sache vollbringe, so wollten sie das alles besitzen. Das Gold aber und das Silber, das in den Kirchen war und in der Priester Gewalt, an den Heiligtümern und Kelchen und so weiter, machet dem Volk von Gomorrha ein Verlangen, darüber Sackmann zu machen und so weiter. Ein Rat zu Prag und die Metzger und etliche fromme Bürger wollten die strafen, die die Ursache des Auflaufs und des Raubes gewesen waren, da fielen sie gar genau alle in den Tod.
Unter diesem Tumult hatte Kaiser Sigismund, der nach dem Wenzeslaus erwählt worden war, das Konzil zu Konstanz versammelt. Dorthin ward Harms Hus gefordert, dort überwunden, und da er verstockt war, wurde er verbrannt, desgleichen darnach sein Ketzermeister Hieronymus.
Und also wurden große, mächtige Klöster und Stifter und hochwürdige Kirchen zerbrochen, und was denen gehört hatte, wurde allen denen erlaubt, die es zu behaupten vermochten, alle geistliche Ordnung ward abgetan, und ward das Land zu Böhmen begabt mit mehr Martern denn je ein Land, so viele wurden ermordet um christlichen Glauben. Also, großen frechen Mutwillen trieben die verlorenen Kinder des Teufels. Denn ehe dies geschah, hatte das Böhmerland Kirchen und Gotteshäuser, die gen Himmel aufragten, mit weiten, langen und breiten Gewölben, wunderbar anzusehen, und unglaublich hochgesetzte Altäre, besetzt mit Heiligtümern, die mit Gold und Silber schwer geziert waren, priesterlich Ornament mit Edelgestein und Perlen durchsetzt, alle Zier der Tempel köstlich, die Fenster hoch und licht mit gar köstlichem Glaswerk, mit kluger Meisterschaft gemacht. [J. Bühler]
Geschichte in Quellen, Bd. 2, Mittelalter, hg. von Wolfgang Lautemann und Manfred Schlenke, München 1975, S 800-802.
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