Landgraf Philipp an Georg v. Carlowitz, Zapfenburg 1542 November 30.
[1] [...]
[2] Was aber Dein Schreiben an den König [Ferdinand] betrifft, von dem Du Uns eine Abschrift zugeschickt hast, so haben Wir dieses ebenfalls verlesen lassen.
Der erste Artikel Eures Schreibens gefällt uns nicht schlecht, wenn es nur allein bei Ungarn zu erheben wäre und es der Türke zulassen würde.
Der Artikel bezüglich der Religion gefällt uns auch gut, er hätte allerdings noch vollständiger sein können. Andererseits können wir nachvollziehen, dass Du dem König als einem schreiben musst, der in diesen Dingen der Religion noch keine ausreichenden Grundlagen besitzt.
Wenn man es nun dahin bringen könnte, dass die Päpstlichen [zu einem Konzil] zusammen kämen und dort miteinander die Ordnung ihrer Kirche reformierten und die Missbräuche abstellten, so wäre dies vorläufig von ihrer Seite entgegenkommend genug. Das Übrige würde sich im Lauf der Zeit noch einstellen.
[…]
Wir haben aber bei uns an einen anderen Weg gedacht, wodurch ein Ausgleich unter den großen Häuptern und Potentaten herbeigeführt werden könnte, nämlich auf diesen; Wenn es bewerkstelligt werden könnte,
- dass der Kaiser dem Franzosen Mailand überließe und dass der Franzose und das Reich dem Kaiser dabei helfen würden, die Romagna d. h. sämtliche weltliche Herrschaften des Papstes einzunehmen – wobei dem Papst ein angemessener Unterhalt belassen würde, indem er in seinem ursprünglichen Amt eines Bischofs von Rom verbliebe,
- dass man Florenz und den anderen [italienischen] Städten, die in früherer Zeit zum Reich gehörten, wieder zu ihren angestammten Freiheiten verhelfen würde und
- dass sich folglich der Franzose im Besitz von Mailand und der Kaiser im Besitz der Romagna befände und so die großen Häupter in Italien gleich stark wären – indem der Franzose Piemont und Mailand, der Kaiser aber Neapel und die Romagna besäße –
so würde das Misstrauen zwischen den Großmächten beseitigt sein. [...]
Denn ohne eine derartige Regelung ist Frankreich bzw. sind die Königssöhne nicht zufriedenzustellen, da Frankreich eine Teilhabe an der Herrschaft über Italien durch den Besitz von Mailand und Piemont anstrebt. Im Gegenzug müsste der Kaiser den Herzog von Savoyen in Spanien abfinden.
Und wenn dann der Franzose Mailand und Piemont, der Kaiser dagegen die Romagna und Neapel besäße, so könnte zwischen ihnen auf unabsehbare Zeit Frieden herrschen.
Dann müsste auch umgehend das Konzil abgehalten und in Fragen des Glaubens ein Ausgleich hergestellt werden. Das Papstamt müsste auf seine ursprüngliche Funktion als ein Aufseher und Bischof von Rom beschränkt werden.
Gleichzeitig sollte mit dem Heer, mit dem Italien unterworfen worden ist, und mit weiterer Hilfe gegen den Türken ins Feld gezogen werden. So wäre zu hoffen, dass gegen den Türken etwas Ansehnliches ausgerichtet werde, sofern man denn Gott aus Acht und Bann täte, d. h. das Edikt von Worms [1521] und den Abschied von Augsburg [1530], insoweit es um die Religion geht, aufhebt. Denn ohne den Ausgleich der Konfessionen wird man nichts gegen den Türken ausrichten. Und ohne die Zurückstufung des Papsttums zu seinem ursprünglichen Statusfist es nicht möglich, dass die Hauptmächte, der Kaiser und Frankreich, einig bleiben. Denn er, der Papst sorgt für Uneinigkeit zwischen ihnen und richtet allen Streit an.
Zapfenburg 30. November 1542
aus: Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, hg. von Erich Brandenburg, Erster Band, Berlin 1982, Nr. 411, S. 513-14. Übertragung in Neuhochdeutsche von Ulrich Stöhr
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