In ihrem Schreiben an den Landgrafen Philipp von Hessen wenden sich die Zürcher Prediger gegen die Verdammung Zwinglis und der Reformierten als Ketzer, wie dies Luther in seinem "Kurzen Bekenntnis vom Hl. Sakrament" 1544 öffentlich verkündet hat.
Die Zürcher Prediger an Landgraf Philipp v. Hessen, 12. März 1545 (Aut. Entwurf v. Heinrich Bullinger)
[neuhochdeutsche Fassung]
Durchlauchtiger hochgeborener Fürst und gnädigster Herr!
Unser untertäniger williger Dienst samt Erweisung alles Guten seien E F G von uns allzeit zuvor bereit.
Dass Dr. Martin Luther so sehr voller Ingrimm gegen uns, ohne dass wir dies verdient oder verschuldet hätten, sich in von ihm verantworteten Druckschriften geäußert hat, erfüllt uns mit Traurigkeit, und dies insbesondere mit Blick auf solche einfältigen, geistlich schwachen Christen, die besonders daran nicht wenig Ärgernis und Anstoß nehmen werden, dass wir [Theologen] , die wir aufgrund des e i n e n Evangeliums den e i n e n Herrn Christus predigen, wegen seines heiligen Symbols und Sakraments in solch langwierigem Streit mit einander stehen.
So bedauern wir auch nicht wenig, dass E F G und anderer frommer christlicher Fürsten, Herren, Stände und Stadtobrigkeiten freundschaftliche Bemühungen um Frieden nicht stärker bei Dr. Luther hat verfangen wollen, indem er nach langem Stillhalten von unserer Seite und demnach ohne rechtfertigenden Anlass den ärgerlichen Streit wieder hat aufleben lassen.
Wir hätten wirklich diesen Frieden [mit ihm] gehalten und weiter wie bisher schon geschwiegen, wobei wir uns sehr lange und vielleicht länger als gut gewesen ist erduldet haben.
Da nun aber unsere Geduld und unser Stillschweigen bei Dr. Luther nichts anderes bewirkt hat als dass er uns in seinem letzten Bekenntnis als Ketzer verdammt sowie unsere Vorfahren – ehrbare Christenleute – und unsere Kirchen hinsichtlich der Glaubensinhalte und ihrer Ehre schmäht und beleidigt – wie es in seiner Schrift klar zutage tritt, haben wir mit Rücksicht auf unsere Ehre, Leumund, Pflichten und Ämter nicht mehr weiter wie bisher fortfahren können. Dabei haben wir nicht eigenmächtig hinter dem Rücken unserer gnädigen Herren und Obrigkeiten, Bürgermeister und Räte gehandelt, sondern mit ihrer Kenntnis und ihrer Einwilligung, indem ihnen – mitsamt allen Gläubigen bei uns – in nachvollziehbarer Weise ein sehr großes Leidwesen wegen Luthers so abscheulichem Schmähen und Schelten Toter und Lebendiger zugefügt worden ist, an dem sie noch zu tragen haben – wobei viele der Ansicht sind, auch wenn die Kirchen bei uns und wir, ihre Diener, bei der Behandlung der Sakramente ein wenig fehlgingen, so sollte doch Luther sie und uns nicht ganz und gar [i. S. v. wie Kehricht?] ausschütten (ausschelten?), zumal in dieser Zeit, in der diejenigen, die der Wahrheit feindlich gesinnt sind, alle Kräfte anstrengen, um die evangelische Wahrheit zu verdammen und zu unterdrücken.
Wenn wir dagegen recht und der ursprünglichen apostolischen heiligen Kirche gemäß lehren und es mit dieser halten, sollte Dr. Luther sich noch viel weniger von uns trennen und ohne Not eine Spaltung in der Kirche herbeiführen. Weil denn auch E F G in unserer Antwort [auf Luther] erwähnt wird, nämlich an der Stelle, wo wir von dem in Marburg abgehaltenen Gespräch handeln, übermitteln wir E F G untertänig unsere Antwort und unser Bekenntnis mit der demütigsten, freundlichsten Bitte, E F G wollen diese [Antwort und Bekenntnis] in Gutem von uns so sehr wohlmeinenden und willigen Dienern empfangen und, wenn es angesichts der Vielzahl und Bedeutung der Regierungsgeschäfte (je nun?) möglich ist, [sie] auch gern lesen.
Daneben bitten wir auch, E F G werde um Gottes und seines heiligen Wortes willen in Gnaden zu verhindern wissen, dass unser Bekenntnis und unsere schriftliche Antwort samt anderen unseren Büchern in E F G Fürstentümern verboten und wir folglich, ohne gehört worden zu sein, unschuldig verdammt werden. Unsere gnädigen Herren und Obrigkeiten lassen ja an ihrer Stelle in Grafschaften, Städten und Ländern sowohl alle und jede Bücher Luthers als auch andere Schriften kaufen und verkaufen, deren Inhalt sich gegen uns richtet.
Diese zu lesen fordern wir selbst auch jeden auf, denn es ist gerecht, dass beide Parteien gehört werden und niemandes Meinung, ohne dass man ihn zuvor gehört habe, unterdrückt wird. Dabei vertrauen wir Gott und seiner hellen, ewigen Wahrheit an, dass alle Gläubigen klar und gründlich erkennen werden, dass weder unsere Kirchen noch wir selbst verdammenswert sind, wie es Dr. Luther gern der ganzen Christenheit weismachen würde. Gott verzeihe ihm. Darüber hinaus bitten wir E F G auch darum, dass sie nochmals in Betrachtung Gottes, der Wahrheit und unserer Unschuld freundlich bei dem Kurfürsten von Sachsen wie auch bei ihrem Schwiegersohn, Herzog Moritz, unseren gnädigsten Herren, darauf hinwirken wolle, dass Ihre Fürstlichen Gnaden uns, ohne dass sie uns zuvor gehört hätten, nicht verdammten und unsere Bücher in ihren Fürstentümern nicht verbieten ließen. Wir haben auch etliche Büchlein mitgeschickt, die Ihren Fürstlichen Gnaden – sofern es E F G nicht widerstrebt – übersandt werden mögen.
Allergnädigster Fürst und Herr! Lasst E F G unsere schwerwiegenden Anliegen zu Herzen gehen angesichts dessen, dass es um die Kirche unserer frommen Gläubigen, um unsere eigene Ehre und um den guten Ruf der verstorbenen redlichen, gottesfürchtigen und gelehrten [Anhänger unserer Konfession] geht, ja auch um unsere Ehre und unseren guten Namen, ja [zuletzt] auch um die Wahrheit. Denn Dr. Luther verschreit uns unablässig als unbußfertige, verdammte Ketzer, deren Gemeinschaft und Schriften alle Gläubigen meiden sollen. Da wir aber von Herzen aller Ketzerei feind sind und begehren, in christlicher Wahrheit in der Gemeinschaft aller Rechtgläubigen zu bleiben, hoffen wir auch auf Gott unseren Herrn, dass dann, wenn E F G unser Begehren und demütiges Schreiben gnädig aufnimmt und erhört, der Allmächtige E F G Bitte und Begehren auch gnädig aufnehmen und erhören wird, nachdem er im Evangelium klar gesagt hat, wenn einer einem seiner Diener einen kühlen Trunk Wasser biete, wolle er dies nicht unvergolten lassen. Da, wo wir uns dann mit untertänigen willigen Diensten gegenüber E F G als dankbar erweisen könnten, wollen wir uns zu allen Zeiten ganz untertänig und willig erweisen. Gott, unser himmlischer Vater, wolle E F G samt allen Ihren Angehörigen durch Jesus Christus, unseren Erlöser, unter seinem Schirm stets in Treue erhalten und bewahren.
Datum Zürich in der Eidgenossenschaft, 12. März 1545.
Zürich StA, E II 337, 366. Zit. nach Andreas Mühling, Heinrich Bullingers europäische Kirchenpolitik, Bern, Berlin u.a. 2001, Anlage 7, S. 293-295. Übertragung und Kollationierung Dr. Ulrich Stöhr
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