Die Zürcher Übereinkunft (Consensus Tigurinus) zwischen Heinrich Bullinger und Johannes Calvin, 20. Mai 1549
Am 20. Mai 1549 einigten sich Bullinger (Nachfolger Zwinglis in Zürich) und Calvin (Genf) auf eine gemeinsame Abendmahlslehre. Vor allem auf der Grundlage von Formulierungen Heinrich Bullingers gelang es, eine Einigung der Schweizer Reformationsbewegung, den "Zürcher Konsens", herbeizuführen. Der "Consensus Tigurinus" zwischen dem Zürcher und dem Genfer Zweig der Reformation war von grundlegender Bedeutung für die Herausbildung einer »reformierten« Konfession in ganz Europa und darüber hinaus.
1. Das gesamte geistliche Regiment der Kirche führt uns zu Christus
Weil Christus das Ziel des Gesetzes ist und seine Kenntnis in sich die gesamte Fülle des Evangeliums umfasst, besteht kein Zweifel, dass das gesamte geistliche Regiment der Kirche darauf abzielt, dass es uns zu Christus führt, so wie man allein durch ihn zu Gott gelangt, der das letzte Ziel eines glücklichen Lebens ist. Wer deshalb von ihm auch nur ein wenig abweicht, kann niemals über die Einrichtungen Gottes richtig oder angemessen sprechen.
2. Die wahre Erkenntnis der Sakramente entspringt aus wahrer Erkenntnis Christi
Weil aber die Sakramente Anhänge des Evangeliums sind, wird folglich derjenige sowohl pas send als auch auf nützliche Weise ihre Natur, Kraft, Aufgabe und Frucht erörtern, der bei Christus beginnt, und zwar nicht auf jene Weise, dass er beiläufig den Namen Christi erwähnt, sondern indem er wirklich festhält, wieweit er uns vom Vater geschenkt wurde und was er uns an Gutem gebracht hat.
3. Welcher Art ist die Erkenntnis Christi?
So muss man glauben, dass Christus, weil er Gottes ewiger Sohn war, von demselben Wesen und derselben Ehre wie der Vater, unser Fleisch annahm, damit er nach dem Recht der Annahme an Kindesstatt das, was er von Natur aus an eigenem besass, uns mitteilte, nämlich dass wir Kinder Gottes seien. Das geschieht, wenn wir durch den Glauben in den Leib Christi eingefügt sind und zwar durch die Wirksamkeit des heiligen Geistes und (dabei) erstens als gerecht gelten durch die unentgeltliche Anrechnung der Gerechtigkeit, zweitens wiedergeboren werden zu einem neuen Leben; wenn wir durch dieses nach dem Bild des himmlischen Vaters umgestaltet worden sind, geben wir den alten Menschen auf.
4. Christus der Hohepriester. Christus der König
Daher müssen wir Christus in seinem Fleisch als Priester betrachten, der unsere Sünden durch das einmalige Opfer seines Todes auslöschte, der alle unsere Ungerechtigkeiten durch seinen Gehorsam zerstörte, der uns vollkommene Gerechtigkeit erwarb und der jetzt zu unseren Gunsten eintritt, damit uns der Zugang zu Gott offen steht. Er muss als Bruder betrachtet werden, der uns aus elenden Kindern Adams zu glückseligen Kindern Gottes machte. Er muss betrachtet werden als Wiederhersteller, der durch die Wirksamkeit seines Geistes wiederherstellt, was immer in uns mangelhaft ist, so dass wir aufhören, für die Welt zu leben und für das Fleisch, und dass Gott selbst in uns lebt. Er muss betrachtet werden als König, der uns mit jeder Art von Gutem bereichert, der uns durch seine Kraft regiert und beschützt, der uns mit geistlichen Waffen rüstet, damit wir gegen Teufel und Welt unbesiegt bestehen bleiben, der uns aus jeder Verstrickung befreit und der uns durch das Szepter seines Mundes leitet und lenkt. Und zwar muss er auf jene Weise betrachtet werden, dass er uns zu sich als zum wahren Gott und zum Vater fortzieht, bis sich das erfüllen wird, was am Ende geschehen wird, nämlich dass Gott alles in allem sein wird.
5. Auf welche Weise Christus uns Anteil gibt
Damit sich uns Christus ferner als so geartet vorstellt und eine Wirkung dieser Art in uns hervorruft, ist es nötig, dass wir eins mit ihm werden und mit seinem Leib verschmelzen, weil er nicht auf andere Weise sein Leben in uns strömen lässt, ausser wenn er unser Haupt ist, »von dem der gesamte Körper zusammengefügt und verbunden ist und über jede Verbindung eines Dienstes entsprechend der Funktion nach Mass eines jeden einzelnen Gliedes körperliches Wachstum erzielt«.
6. Geistliche Teilnahme. Einsetzung der Sakramente
Geistlich ist diese Teilnahme, die wir an Gottes Sohn haben, wenn er mit seinem Geist in uns wohnt und alle Gläubigen aller guten Dinge, die in ihm ihren Sitz haben, teilhaftig macht. Zum Zeugnis davon ist ebenso die Verkündigung des Evangeliums eingerichtet, wie uns der Gebrauch der Sakramente anvertraut ist, und zwar der heiligen Taufe und des heiligen (Abend-)Mahls.
7. Die Ziele der Sakramente
Aber auch dies sind Ziele der Sakramente: dass sie Kennzeichen und Marken des christlichen Bekenntnisses und der Gemeinschaft oder Bruderschaft sind; dass sie Aufforderungen zur Danksagung aus Einübung des Glaubens und eines frommen Lebens sind; schliesslich Unterschriften, die dazu verpflichten. Aber darunter ist ein Ziel unter den andern das vorzüglichste, dass Gott uns durch sie seine Gnade bezeugt, darstellt und besiegelt. Denn auch wenn sie nichts anderes bezeichnen ausser das, was durch das Wort selbst verkündigt wird, so ist dies doch etwas grosses, dass unseren Augen gleichsam lebendige Bilder vorgeführt werden, die unsere Sinne stärker berühren (als das Wort allein), indem sie gleichsam ins Geschehen selbst hineinführen, wenn sie uns Christi Tod und alle seine Wohltaten in Erinnerung rufen, schliesslich (ist es auch etwas grosses,) dass das, was durch Gottes Mund verkündet wurde, gleichsam wie mit Siegeln bestätigt und bekräftigt wird.
8. Was die Sakramente wahrhaft bezeichnen, gewährt der Herr wahrhaft. Danksagung
Weil aber das wahr ist, was uns der Herr an Zeugnissen und Siegeln für seine Gnade gab, gewährt er selbst uns ohne Zweifel innerlich durch seinen Geist, was die Sakramente den Augen und den andern Sinnen bezeichnen, d. h. dass wir aus Christus trinken wie aus dem Brunnen alles Guten, dass wir sodann durch die Wohltat seines Todes mit Gott versöhnt werden, durch den Geist zur Heiligkeit der Lebensführung erneuert werden, schliesslich Gerechtigkeit und Heil erlangen und zugleich für diese Wohltaten, die uns damals am Kreuz eröffnet wurden und die wir jeden Tag im Glauben empfangen, Dank sagen.
9. Zeichen und bezeichnete Sachverhalte sind verschieden
Wenn wir daher auch, wie es recht ist, unterscheiden zwischen Zeichen und bezeichneten Sachverhalten, so trennen wir gleichwohl die Wahrheit nicht von den Zeichen; im Gegenteil bekennen wir, dass so, wie alle diejenigen, die im Glauben die dort dargebotenen Verheissungen annehmen, Christus auf geistliche Weise zusammen mit seinen geistlichen Gaben empfangen, ebenso auch diejenigen, die bereits an Christus Anteil erhalten haben, jene Gemeinschaft (mit ihm) fortsetzen und (laufend) erneuern.
10. Die Verheissung muss vor allem in den Sakramenten gesucht werden
Denn es eignet sich nicht, auf die blossen Zeichen zu achten, sondern vielmehr (zu achten) auf die Verheissung, die dort angefügt ist. Soweit also unser Glaube in der Verheissung, die dort dargeboten ist, fortschreitet, soweit entfaltet sich jene Kraft und Wirksamkeit, von der wir sprachen. Daher bietet uns die Materie von Wasser, Brot bzw. Wein Christus keineswegs an und macht uns auch nicht teilhaftig an seinen geistlichen Gaben, sondern man muss mehr auf die Verheissung achten, deren Teile (folgende) sind: Sie führt uns auf geradem Weg des Glaubens zu Christus; dieser Glaube macht uns an Christus teilhaftig.
11. Vor den Elementen darf man nicht in Erstaunen stehen bleiben
Von daher stammt der Irrtum derjenigen, die in Erstaunen vor den Elementen stehen bleiben und diesen das Vertrauen auf ihr Heil zuschreiben, wo doch die Sakramente getrennt von Christus nichts als leere Hüllen sind und wo doch in all dem diese Stimme deutlich herausklingt, dass nirgendwo sonst als allein an Christus Halt und von nirgendwoher sonst die Gnade des Heils gesucht werden darf.
12. Die Sakramente bewirken aus sich heraus nichts
Wenn uns ferner irgend etwas Gutes durch die Sakramente verschafft wird, dann geschieht dies nicht durch deren eigene Kraft, auch wenn man die Verheissung, die ihnen eingeschrieben ist, erfasst. Denn Gott allein ist es, der durch seinen Geist handelt; und wenn er den Dienst der Sakramente benutzt, dabei flösst er weder diesen seine Kraft ein noch nimmt es der Wirksamkeit seines Geistes etwas weg, sondern entsprechend der Erkenntnisfähigkeit unserer Verständnislosigkeit wendet er sie gleichsam wie Hilfsmittel auf solche Weise an, dass die gesamte Möglichkeit zu wirken allein bei ihm selbst bleibt.
13. Gott benützt ein Werkzeug, jedoch auf solche Weise, dass alle Wirksamkeit bei Gott liegt
Wie daher Paulus anmahnt, dass derjenige, der anpflanzt oder bewässert, nichts ist, sondern allein Gott, der das Wachstum gibt, ebenso gilt es von den Sakramenten zu sagen, dass sie nichts sind, weil sie nichts nützen könnten, wenn nicht Gott alles insgesamt bewirken würde. Werkzeuge sind sie also, durch die, wie gezeigt wurde, Gott wirksam handelt, jedoch auf solche Weise, dass das gesamte Werk unseres Heils allein ihm selbst verdankt werden muss.
14. Wir stellen daher fest, dass es allein Christus ist, der wahrhaft innerlich tauft, der uns im Abendmahl an sich teilhaben lässt, der schliesslich alles erfüllt, was die Sakramente bezeichnen, und dass er auch diese (Sakramente) als Hilfsmittel benutzt, so dass die ganze Wirksamkeit bei seinem Geist liegt.
15. Auf welche Weise die Sakramente stärken
Auf diese Weise heissen die Sakramente indessen Siegel, so sagt man, dass sie den Glauben nähren, stärken und voranbringen; und dennoch ist allein der Geist im eigentlichen Sinne Siegel, und derselbe ist der Anreger und Vervollkommner des Glaubens. Denn alle diese Beinamen der Sakramente liegen auf einer unteren Ebene, so dass nicht einmal der geringste Teil unseres Heils vom einzigen Urheber auf Geschöpfe oder (Welt-)Elemente übertragen wird.
16. Nicht alle, die am Sakrament teilnehmen, haben auch an der Sache teil
Ferner lehren wir fleissig, dass Gott seine Kraft nicht wahllos an alle austeilt, die die Sakramente aufnehmen, sondern nur an die Erwählten. Denn genauso, wie er nicht andere als (nur) diejenigen, die er im voraus zum Leben vorherbestimmt hat, zum Glauben erleuchtet, ebenso bewirkt er durch die geheime Kraft seines Geistes, dass die Erwählten das erhalten, was die Sakramente anbieten.
17. Die Sakramente verschaffen nicht die Gnade
Durch diese Lehre wird jene Auslegung von Schlaubergern [Sophisten] von Grund auf widerlegt, die lehrt, dass die Sakramente des neuen Gesetzes allen, die nicht eine Todsünde als Hindernis dagegenstellen, die Gnade verschaffen würde. Denn abgesehen davon, dass in den Sakramenten nichts ausser durch den Glauben empfangen wird, muss auch festgehalten werden, dass Gottes Gnade an dieselben nicht im mindesten gebunden ist in der Weise, dass, wer immer das Zeichen hat, sich auch der S ache bemächtigen könnte. Denn den Verworfenen werden die Zeichen genau gleich wie den Erwählten ausgeteilt, jedoch die Wahrheit hinter den Zeichen gelangt allein zu letzteren.
18. Allen werden Gottes Gaben angeboten; nur die Gläubigen empfangen sie
Es ist zwar sicher, dass allen gemeinsam Christus zusammen mit seinen Gaben angeboten wird und dass nicht durch den Unglauben der Menschen Gottes Wahrheit wirkungslos wird, so dass die Sakramente immer ihre Kraft behalten; jedoch sind nicht alle (Menschen) für Christus und seine Gaben empfänglich. Deshalb ändert sich auf Seiten Gottes nichts; soweit es aber die Menschen betrifft, empfängt ein jeder entsprechend dem Mass seines Glaubens.
19. Die Gläubigen haben auch vor und ausserhalb des Gebrauchs der Sakramente an Christus teil
Genauso aber, wie den Ungläubigen der Gebrauch der Sakramente nichts mehr verschafft als dann, wenn sie sich davon enthalten, ja mehr noch tödlich für sie ist, ebenso steht für die Gläubigen ausserhalb ihres Gebrauches die Wahrheit, die dort bezeichnet wird, fest. So wurden durch die Taufe Paulus´ Sünden abgewaschen, die schon vorher abgewaschen waren. So wurde dieselbe Taufe (dem Hauptmann) Cornelius zum Bad der Wiedergeburt, der aber bereits mit dem heiligen Geist begabt worden war. So teilt sich uns Christus im Abendmahl mit, der sich aber schon vorher uns zugeteilt hatte und der dauernd in uns bleibt. Denn wenn es heisst, jeder einzelne solle sich prüfen, so folgt daraus, dass von einem Glaube gefordert wird, bevor man zum Sakrament geht. Jedoch gibt es Glauben nicht ohne Christus, sondern soweit der Glaube durch die Sakramente bestärkt und vermehrt wird, werden in uns Gottes Gaben bestärkt, und auf diese Weise wächst Christus auf eine gewisse Weise in uns und wir (wachsen) in ihm.
20. Nicht auf solche Weise verbindet sich die Gnade mit der Feier der Sakramente, dass der Gewinn aus ihnen irgendwann nach der Feier empfangen wird
Der Nutzen ferner, den wir aus den Sakramenten empfangen, darf nicht im mindesten auf den Zeitpunkt, in dem sie uns ausgeteilt werden, beschränkt werden, gerade so, als ob das sichtbare Zeichen, wenn es öffentlich vorgeführt wird, in eben diesem Augenblick Gottes Gnade mit sich brächte. Denn diejenigen, die im frühesten Säuglingsalter getauft wurden, erneuert Gott während der Kindheit oder in der Jugend, indessen auch im Alter. So erstreckt sich der Nutzen der Taufe auf den ganzen Lebenslauf, weil ewig in Kraft steht die Verheissung, die dort enthalten ist. Indessen kann es auch geschehen, dass der Gebrauch des heiligen Abendmahls, der im Geschehen selbst wegen unserer Ungläubigkeit oder Trägheit kaum nützt, später seinen Gewinn hervorbringt.
21. Die räumliche Einbildung ist aufzugeben
Vor allem aber muss jedwede Einbildung von räumlicher Gegenwart aufgegeben werden. Denn obwohl die Zeichen hier auf Erden sind, mit den Augen erkannt und den Händen berührt werden, befindet sich Christus, soweit er Mensch ist, nirgendwo sonst als im Himmel und kann nicht auf andere Weise als mit dem Denken und mit der Erkenntnisfähigkeit des Glaubens gesucht werden. Daher ist es ein verkehrter und frevelhafter Aberglaube, ihn selbst unter den Elementen dieser Welt einschliessen zu wollen.1
22. Erklärung der Abendmahlsworte: »Dies ist mein Leib«
Diejenigen ferner, die in den feierlichen Abendmahlsworten: »Dies ist mein Leib«, (Mt. 26, 26; Mk. 14, 22; Lk. 22, 19; 1. Kor. 11, 24) »dies ist mein Blut«, (Mt. 26, 28; Mk. 14, 24) den genau wörtlichen, wie sie sagen, Sinn anstrengen, diese verachten wir als letztklassige Ausleger.2 Denn wir gehen davon aus, dass ausser Diskussion steht, dass im übertragenen Sinn verstanden werden muss, dass von Brot und Wein gesagt wird, sie »seien«, was sie bezeichnen. Ausserdem darf es weder neu noch ungewohnt erscheinen, dass durch Bedeutungsübertragung der Name der S ache auf das Zeichen übertragen wird, da ja andauernd in den (heiligen) Schriften derartige Ausdrucksweisen begegnen und da wir, sozusagen, nichts anführen, was nicht bei gerade den ältesten und bewährtesten Schriftstellern der Kirche steht.
23. Vom Essen des Leibes Christi3
Dass aber Christus durch das Essen seines Leibes und das Trinken seines Blutes, die hier bezeichnet werden, unsere Seelen mittels des Glaubens durch die Wirkung seines Geistes speist, das darf nicht so aufgefasst werden, als ob es irgendeine Vermischung oder Übertragung seines Wesens gäbe; sondern (deshalb,) da wir ja aus seinem ein einziges Mal als Opfer dargebrachten Fleisch und seinem zur Versöhnung vergossenen Blut das Leben schöpfen.
24. Gegen die Transsubstantiation(slehre) und andere Einfältigkeiten
Auf diese Weise wird nicht nur die Auslegung der Papisten betreffend die Transsubstantiation4 widerlegt, sondern auch alle üppigen Einbildungen und unnützen Spitzfindigkeiten, die seiner5 himmlischen Herrlichkeit Abbruch tun oder mit der Wahrheit seiner menschlichen Natur zu wenig im Einklang stehen. Denn wir beurteilen es nicht als weniger absurd, Christus unter dem Brot anzusiedeln oder mit dem Brot zu verbinden,6 als das Brot zum Wesen seines Leibes zu verwandeln.7
25. Christi Leib befindet sich im Himmel wie an einem Ort
Und damit nicht irgendeine Zweideutigkeit übrigbleibt, wenn wir sagen, dass Christus im Himmel zu suchen ist, so klingt diese Ausdrucksweise nach Abstand der Orte und drückt diese aus. Denn obwohl es, philosophisch ausgedrückt, über den Himmeln keinen Ort gibt, so muss doch, weil trotzdem Christi Leib, wie es Natur und Art des menschlichen Körpers mit sich bringt, begrenzt ist und vom Himmel wie von einem Ort umgeben wird – so muss er doch von uns einen so weiten räumlichen Abstand entfernt sein, wie weit der Himmel von der Erde entfernt ist.
26. Christus darf im Brot bzw. Sakrament nicht angebetet werden8
Wenn es denn nicht recht ist, mit unserer Einbildungskraft Christus an Brot und Wein anzuheften, ist es noch viel weniger erlaubt, ihn im Brot anzubeten. Denn obwohl das Brot uns zum Zeichen und Pfand der Gemeinschaft, die wir mit Christus haben, dargereicht wird, daher machen – weil es trotzdem ein Zeichen, nicht (jedoch) die Sache selbst ist und auch die Sache nicht in sich eingeschlossen oder angeheftet hat – aus ihm ein Götzenbild diejenigen, die ihr Denken auf es9 richten, wenn sie Christus anbeten wollen.
Anmerkungen
1 Dieser Abschnitt richtet sich gegen die katholische und (teilweise) auch lutherische Lehre der realen Gegenwart Christi in den Elementen des Abendmahles, besonders aber auch gegen die katholische Hostienverehrung.
2 Dies zielt auf die katholische Abendmahlslehre und besonders auch auf die lutherische, mit der sich die Schweizer Reformatoren zur Zeit der Entstehung des vorliegenden Bekenntnisses heftige Auseinandersetzungen lieferten
3 Dieser Abschnitt ist eine Ergänzung Calvins.
4 D. h. Wesensverwandlung von Brot und Wein in Christus-Leib.
5 D. h. Christi.
6 Dass Christus »unter« oder »mit« dem Brot sei, ist lutherische Lehre; vgl. WA 26, 447.
7 Im lateinischen Original steht: transsubstantiare, wörtlich etwa: »wesensverwandeln«.
8 Dieser Abschnitt richtet sich besonders gegen die Hostienverehrung in der katholischen Kirche, wie sie namentlich im Fronleichnamsfest zum Ausdruck kommt.
9 D. h. das Brot.
Textzusammenstellung von R. Neebe (2013) nach: http://www.calvin09.org/media/pdf/actio/ConsensusTigurinus2004_D.pdf
In der Dokumentation bei Volker Leppin, Reformation. Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. 3, Neukirchen-Vluyn 2. Auflg. 2012, S. 214-216 fehlen die für die Auseinandersetzung mit den lutherischen Reformatoren entscheidenden Abschnitte 20-26 des Consensus Tigurinus.
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