Bericht von Hans Zeiß über Müntzers Predigt in Allstedt, 28. Juli 1524
Hans Zeiß (gest. 1546/7) war von 1513-1525 Schosser (Rentmeister) in Allstedt
Gnädiger Fürst und Herr!
Ich habe neulich, als ich meine Rechnung vorlegte, darum gebeten, dass der Prediger Thomas Müntzer zu Allstedt verhört werde. Denn wenn das nicht geschieht, befürchte ich, das es zu einem Aufruhr und spürbarer Empörung kommen werde. Das haben mein gnädigster Herr, der Kurfürst, freundlich bedacht. Seinerzeit habe ich Magister Spalatin1 in meinen Bescheiden gebeten, dass er sorgfältig dabei bleiben und darum bitten solle, dass es geschehe; das hat er auch zugesagt zu tun. Ich habe das auch anlässlich der letzten Nachricht, die gestern kam, nochmals bei ihm angeregt, aber es verzögert sich, und die Sache reißt kräftig ein. Deshalb spreche ich hier zu Weimar bei Euer fürstlichen Gnaden vor und teile untertänigst mit, dass das fremde Volk, wie vielleicht Eure fürstliche Gnaden selbst kürzlich gehört haben, nach Allstedt läuft, und die umliegenden Nachbarorte verbieten es ihren Untertanen, dorthin zur Predigt zu gehen. Doch das Volk will nicht davon lassen, und sie werden zu Haufen in die Türme und Verließe geworfen, und wer entkommt, eilt dorthin. [...]
All das kommt hierher vor den Prediger. Der ist voller Zorn über solche Herrschaft, predigt und befiehlt unverhohlen, dass sich das Volk zu einem Bündnis zusammen schließen (zusamen verbinten) soll, um sich gegen derartige Gewalt und gegen die, die gegen das Evangelium toben, zu stellen und zu widersetzen. Das hat das Volk begonnen, rottet sich, wie oben berichtet, in Allstedt als Zuflucht zusammen und macht einen Bund mit allen Einwohnern von Allstedt. Er befiehlt auch den Frauen, Jungfrauen und wer auch immer sich wehren kann, sich mit Mistgabeln und der-gleichen der Herrschaft zu widersetzen und sich zu wehren; damit haben etliche tatendurstige Frauen und Jungfrauen zu Allstedt bei dem letzten Angriff, von dem ich Fürstliche Gnaden berichtet habe, bereits, seinerzeit noch ohne seinen Befehl an-gefangen. Und der Prediger hat am letzten Sonntag2 öffentlich ausgerufen und gepredigt, er wolle ein öffentlicher Feind aller Tyrannen sein, die sich dem Evangelium entgegen stellen, und man sehe offenkundig, dass sich etliche Herren dem Evangelium und dem christlichen Glauben entgegen stellten und diesen gerne austilgen wollten. Und er hat das Volk nochmals dringlich ermahnt, ein Bündnis zu bilden und wenn die Herrschaftsgewalt ihr Schwert ziehe, ihr Schwert auch zu bewegen und zu zeigen.[...]
Das einfache Volk (gemein volck) gewinnt aus den Worten des Predigers zutiefst das Vertrauen, dass die Leute in einer kleinen Gruppe, wie sie sagen, furchtlos sind, und sie geben vor, dass sie glauben, ihnen könne nichts widerfahren, sondern einer von ihnen solle zehntausend umbringen (vgl. Dtn 32,30). Auf diesem Fundament leisten sie Widerstand (Darauff trutzen sie). Der Prediger hat sie auch getröstet und am Sonntag öffentlich gesagt, dass ein gottesfürchtiger Mensch neulich in einer Vision (gesicht) gesehen habe, dass die Fürsten, Tyrannen und alle, die sich gegen das Evangelium wenden, ganz feige und voller Schrecken seien, und er hat gesehen, dass ihr Herz schwarz im Leibe sei vor lauter Feigheit. Darum sollen sie getrost sein, denn die Zeit der Veränderung stehe kurz vor der Tür, wovon Ez 34(2-16) und Dan 7(,17-27) die Rede ist. Und er sehe, dass kein Fürst oder Herr mitmache, sondern alle dagegen seien. Nur die beiden Fürsten von Sachsen3 lassen zu, dass man das Evangelium predige, mehr aber wollten sie nicht dazu tun; das finden Eure fürstliche Gnaden auch in Schriften. Darum bitte ich Eure fürstliche Gnaden, dass sie dennoch inniglich auf diese Angelegenheit sehen, ob sie von Gott sei, wie der Prediger auch ohne alle Scheu öffentlich ausruft, dass es Gott so in dieser Zeit bereitet; und der wird sich auch ungeachtet aller Gegenwehr, Vermögen und Hilfe nicht hindern lassen. Wenn dem so wäre, könnte und sollte man nicht gegen Gott streben (vgl. Apg 5,38f.). Wenn aber deutlich wird, dass es nicht Gottes Wille sei, möge Eure fürstliche Gnaden auch soviel dazu tun, wie sich gebührt, dass die Dinge allein nach göttlichem Willen geordnet werden.
1 Georg Spalatin (1484-1545), seit 1509 am Hofe des sächsischen Kurfürsten, ab 1516 in der Kanzlei beschäftigt, eine wichtige Vermittlungsgestalt zwischen Luther und dem Kurfürsten.
2 24. Juli 1524.
7 Kurfürst Friedrich der Weise und Herzog Johann, die sich die Regentschaft teilten und das sächsische Gebiet mutschiert (in Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt) hatten.
Quelle: Thomas-Müntzer-Ausgabe. Kritische Gesamtausgabe, hg. v. H. Junghans. Bd. 3: Quellen zu Thomas Müntzer, bearb. v. W. Held u. S. Hoyer, Leipzig 2004, 146,1-147,11; 148,1-15; 149,18-150,9.
Textauszüge zitiert nach: Volker Leppin, Kirchen - und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. III Reformation, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 2012, S. 109-110
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