Thomas Müntzer, Die Allstedter »Fürstenpredigt«, Juli 1524
Man sieht jetzt schön, wie sich die Aale und Schlangen auf einem Haufen vermischen. Die Pfaffen und alle bösen Geistlichen sind Schlangen, wie sie Johannes, der Täufer Christi, Mt 3(,7) nennt; und die weltlichen Herren und Regenten sind Aale, wie Lev 11(9-12) (in Gestalt) von Fischen etc. vorgebildet ist. Es haben sich die Reiche des Teufels mit Ton beschmiert.
Ach, liebe Herren, wie schön wird der Herr eine eiserne Stange unter die alten Töpfe schmeißen, Ps 2(,9). Damm ihr allerteuersten, liebsten Regenten, erfahrt eure Erkenntnis auf rechte Weise aus dem Munde Gottes und lasst euch durch eure heuchlerischen Pfaffen nicht verführen und mit Erfindungen von Geduld und Güte auf-halten. Denn der Stein, der ohne Hände vom Berge gerissen wurde, ist groß geworden. Die armen Laien und Bauern sehen ihn viel deutlicher als ihr. Ja, Gott sei gelobt, er ist so groß geworden, dass, wenn euch andere Herren oder Nachbarn um des Evangeliums willen verfolgen wollten, sie von ihrem eigenen Volk vertrieben würden. Das weiß ich allerdings. Ja, der Stein ist groß; die unsinnige (blöde) Welt hat sich lange davor gefürchtet. Er ist auf sie gefallen, als er noch kleiner war.
Was wollen wir denn nun tun, nachdem er groß und mächtig geworden ist? Und nachdem er so mächtig unverzüglich auf die große Säule getroffen hat und sie bis zu den alten Töpfen zerschmettert hat? Darum, ihr teuren Regenten von Sachsen, tretet keck auf den Eckstein, wie der heilige Petrus tat, Mt 16(,18), und sucht die rechte Standhaftigkeit, die der göttliche Wille verleiht! Er wird euch wohl erhalten auf dem Stein, Ps 40(,3). Eure (Wege) werden richtig sein; suchet nur geradewegs Gottes Gerechtigkeit und geht die Sache des Evangeliums tapfer an! Denn Gott steht so nah bei euch, wie ihr's nicht glaubt. Warum wollt ihr euch dann vor dem entsetzen, was Menschen erdacht haben, Ps 118(,6)?
Seht hier den Text genau an. Der König Nebukadnezar wollte die klugen (Zeichendeuter) töten, weil sie ihm den Traum nicht auslegen konnten. Es war ihr verdienter Lohn. Denn sie wollten sein ganzes Reich mit ihrer Klugheit regieren und konnten nicht das, wozu sie eingesetzt waren. So sind auch unsere Geistlichen. Und ich sage euch gewiss, wenn ihr den Schaden der Christenheit so gut erkennen und so recht einsehen würdet, so würdet ihr in einen solchen Eifer geraten wie Jehu, der (israelitische) König, 2Kön 9 und 10, und wie das ganze Buch der Apokalypse anzeigt. Und ich weiß fürwahr, dass ihr euch nur schwer zurückhalten könntet, dem Schwert seine Gewalt vorzuenthalten. Denn der erbarmungswürdige Schaden der heiligen Christenheit ist so groß geworden, dass ihn zu dieser Zeit keine Zunge beschreiben kann. Darum muss ein neuer Daniel aufstehen und euch eure Offenbarung auslegen. Und der muss, wie Mose Dtn 20(1) lehrt, vorne an der Spitze gehen. Er muss den Zorn der Fürsten und des ergrimmten Volkes versöhnen.
Quelle: Thomas Müntzer, Schriften und Briefe, hg. von G. Franz, Gütersloh 1968 (QFRG 33), 256,10-257,21.
Textauszüge zitiert nach: Volker Leppin, Kirchen - und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. III Reformation, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 2012, S. 108-109
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