Vermahnung zum Gebet wider den Türken (Auszüge), 1541
Man spricht: Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen. Wir Deutschen haben nun viele Jahre her das liebe Wort Gottes gehört, dadurch uns Gott, der Vater aller Barmherzigkeit, erleuchtet und von den greulichen Greueln der päpstlichen Finsternis und Abgötterei gerufen in sein heiliges Licht und Reich. Aber wie dankbarlich und ehrlich wir das haben angenommen und gehalten, ist schrecklich genug zu sehen noch heutigen Tages. Denn gerade als wären der vorigen Sünden zu wenig, da wir Gott mit Messen, Fegfeuer, Heiligendienst und anderen mehr eigenen Werken und Gerechtigkeit aufs höchste (wiewohl unwissend) erzürnet und alle Winkel mit solchen großen Abgöttereien erfüllet haben, und gemeinet, Gott darin sonderlich zu dienen, so fahren wir drüber zu und verfolgen das liebe Wort, so uns zur Buße von solchen Greueln beruft, und verteidigen wissentlich und mutwillig solche Abgötterei mit Feuer, Wasser, Strick, Schwert, Fluchen und Lästern, daß es kein Wunder wäre, ob Gott nicht allein Türken, sondern eitel Teufel über Deutschland ließe oder längst hätte lassen schwemmen.
Denn wie kann er's die Länge leiden? Er muß ja die Wahrheit und Gerechtigkeit zuletzt handhaben und schützen, sdas Böse und die bösen, giftigen Lästerer und Tyrannen strafen. Sonst würde er um seine Gottheit kommen und endlich von niemand für einen Gott gehalten werden, wo jedermann für und für sollte tun, was ihn gelüstet, und Gott mit seinem Wort und Gebot so sicher und schändlich verachten, als wäre er ein Narr oder Göckelmännlein, dem es kein Ernst wäre mit seinem Dräuen und Gebieten. Darum muß er's also machen, daß man's greifen müsse, es sei Ernst und nicht Scherz.
Über das auf diesem Teil wir, so das Evangelium angenommen und uns des Wortes rühmen, erfüllen auch den Spruch Röm. 4 [2 V. 24]: "Gottes Name wird durch euch unter den Heiden gelästert."
Denn ausgenommen gar wenig, die es mit Ernst meinen und dankbar annehmen, so ist der andere Haufe so undankbar, so mutwillig, so frech, und leben nicht anders, denn als hätte Gott sein Wort darum uns gegeben, und vom Papsttum samt seiner teuflischen Gefangenschaft erlöset, daß wir könnten frei tun und lassen, was uns gelüstet, und also sein Wort nicht zu seinen Ehren und unserer Seligkeit, sondern zu unserm Mutwillen dienen mußte, so es doch seines lieben Sohnes Jesu Christi, unsers HERRN und Heilands, Blut und Tod gekostet hat, daß uns solches so reichlich gepredigt würde.
Denn, daß ich oben anfange, was für verzweifelte, böse Sekten und Ketzereien haben sich hervorgetan, wie Münzer, Zwinglianer, Wiedertäufer und viel mehr, alle unter des Evangelii Namen und Schein, dieweil sie, durchs Evangelium von des Papsts Bann und Tyrannei befreit, sicher geworden waren, zu lehren und zu tun, was sie gelüstet, welche doch zu der Zeit, da der Papst Gott und Herr war, nicht hätten zischen dürfen.
Darnach ist gekommen der große Gott Mammon oder Geiz. Wie hat der nicht allein Bauern und Bürger, sondern recht gröblich Adel, Grafen, Fürsten und Herrn besessen, daß man desgleichen kaum lesen kann in allen Historien. Der Adel will's alles haben, was Bauer und Bürger hat, ja, sie wollen Fürsten sein; der Bauer steigert neben dem Adel Korn, Gerste und alles, und machen mutwillige Teuerung, da sonst Gott genug hat wachsen lassen. Der Bürger schätzt in seinem Handwerk auch, was und wie er will.
So weiß man zuvor, was für Mutwill des Gesinde, Knechte und Mägde üben in Häusern, welch Stehlen, Untreue und allerlei Bosheit sie treiben, daß alle Hausväter übers Gesinde klagen und schreien.
So ist auch des Stehlens, ein Nachbar dem andern, kein Maß. Item, die Arbeiter oder Werkleute, wie sind sie Herrn? Nehmen Geld genug, arbeiten, was und wie und wann sie wollen. Und ob sie es verderben und zunichte machen, darf niemand ein Wort wider sie reden.
Und daß ich der Juristen auch nicht vergesse, ist's mit dem Recht dahin gekommen, daß niemand sich gerne ins Recht begibt, wenn er gleich so helle, gute Sache hat, als die Sonne im hellen Mittage klar ist.
Ich will nicht heucheln, sondern die Wahrheit sagen. Das kaiserlich Kammergericht, stehe, welch eine Teufelshure da regiert, so es doch sollt', als ein göttlich Kleinod in deutschen Landen, ein einiger Trost sein allen denen, so Unrecht leiden. Aber stehe, wie sie denen zu Goslar, Minden und andern mitspielen, und dem verzweifelten Buben Heinz Mordbrenner überhelfen in allen bösen Stücken, so sie doch nicht Richter sind, auch nicht verstehen können, dazu Partei sind in Sachen, was das Evangelium oder Kirche betrifft.
Also ist Deutschland reif und voll allerlei Sünden wider Gott, will's dazu verteidigen und trotzet mit Gotte, daß ich leider ein allzu wahrhaftiger Prophet gewesen bin, daß entweder der Türke oder wir selbst untereinander müßten uns bestrafen. [...]
Summa, es stehet und gehet fast wie vor der Sintflut, Gene. 6 [1. Mose 6 V. 12]: "Gott sah auf die Erde, und siehe, sie war verderbet, denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbet auf Erden." Daß ich bei mir gewiß bin, wo sich die Welt nicht bessert, sondern sollte so immerfort zunehmen in allerlei Mutwillen, so muß es brechen den letzten Bruch, und hab' auch in solchem Wesen keinen andern Trost noch Hoffnung, als daß der Jüngste Tag vor der Tür sei. Denn es übermacht sich allzu sehr, daß es Gott nicht länger wird dulden können. [...]
Also ist der Türke auch unser Schulmeister und muß uns stäupen und lehren, Gott fürchten und beten, sonst verfaulen wir ganz in Sünden und aller Sicherheit, wie bisher geschehen.
[...]
Und wenn ihr nun wider den Türken ziehet, so seid ja gewiß und zweifelt nicht dran, daß ihr nicht wider Fleisch und Blut, das ist, wider Menschen streitet. Sonst will ich euer Prophet sein, daß ein Türke wird viele Christen schlagen. Sondern seid gewiß, daß ihr wider ein groß Heer Teufel streitet, denn das Türken Heer ist eigentlich der Teufel Heer. Darum verlaßt euch nicht auf euren Spieß, Schwert, Büchsen, Macht oder Menge. Denn darnach fragen die Teufel nicht, wie wir bisher an der Erfahrung wohl gewitzigt sind, daß der Türke eitel Sieg und Glück gehabt hat wider uns und fürder haben wird, wo wir als Menschen wider Menschen kriegen werden. Gleichwie der Papst und seine Teufel konnten nicht geschlagen werden ohne Gottes Wort, so doch die Kaiser, die Friedrich, Heinrich usw. mächtig genug waren, sondern er trat sie alle mit Füßen unter sich, denn der Teufel war bei ihm. Wir müssen lernen mit dem 44. Psalm (V. 7) singen: "Ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen, und mein Schwert kann mir nicht helfen" usw. Wir müssen gegen die Teufel Engel bei uns haben, welches geschehen wird, so wir uns demütigen, beten und Gotte vetrauen in seinem Wort.
Wenn wir also das Unsere getan, mit Beten uns rüsten oder wehren, so laßt uns denn sagen mit Joab [2. Sam. 10 V. 11 ff.]: Laß frisch hergehen, es geschehe Gottes Wille, wie er's vorgesehen hat, und wie es ihm gefällt zum Leben oder Tod. Will er uns strafen udn schlagen lassen, so sterben und leiden wir in unserm Beruf und seinem Befehl, dazu um seines Namens willen, und werden also sein Märtyrer. Haben über das den Vorteil, daß wir doch an jenem Tag ewiglich des Türken, Papsts, Welt und aller Teufel Richter und Herrn sein werden mit Christo und allen Engeln. Und was kann denn uns Christen der Türke und alle Teufel tun? Und wie böse kann er's denn machen? Er kann uns ja das Leben weder geben noch nehmen. Denn das Leben ist uns vorher längst genommen im Anfang der Welt, im Paradies, durch Adams Sünde, in welcher wir schon alle gestorben und tot sind, die wir von ihm geboren werden, Röm. 5 [V. 12] (der Türke auch sowohl als wir). Dagegen hat's uns Christus, unser Heiland, längst wiedergebracht und gegeben durch seine Auferstehung allen, die es glauben und ihn anrufen und begehren, aber nicht den Türken und Ungläubigen, noch den Teufeln; die die bleiben im Tod.
Das kann er wohl tun, daß er sterblich uns Sterblichen kann die Zeit verkürzen, daß wir desto eher begraben, verfaulen und zur Auferstehung bereitet werden. Mehr vermag er uns nicht zu tun, wie uns Christus selbst tröstet Matth. 10 [V. 28]: "Fürchtet euch vor denen nicht, die den Leib töten" und darnach nichts haben, was sie euch tun können. Vide, sie placet, meas ibidem Annotationes. Und I. Pet. 3 [V. 13-15]: "Und wer ist's, der euch Schaden tun könnte, so ihr dem, was gut ist, nachkommet? Und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig, fürchtet euch vor ihrem Trotzen nicht und erschreckt nicht, heiliget aber Gott den HERRN in euren Herzen", denn wir streiten nicht darum, daß wir wollen Land und Leute, Gut und Ehre gewinnen oder Abgötterei stiften und ausbreiten, sondern Gottes Wort und seine Kirche erhalten, sonderlich für unsere liebe Jugend und Nachkommen, und gedenken zu wehren dem Türken, daß er seinen Teufelsdreck und lästerlichen Mahmet nicht an unsers lieben Herrn Hesu Christi Statt setze. Das ist ja die gründliche Ursache und ernstliche Meinung unsers Streits, Sterbens und Lebens in diesem Fall, das ist gewißlich wahr. Darum führen wir einen gottseligen Krieg wider den Türken und sind heilige Christen und sterben selig.
So könnt's auch wohl an dem sein, daß der Türke, gleichwie der Papst, in Fall kommen würde. Denn die zwei Reiche des Papsts und Türken sind die letzten zween Greuel und "Gottes Zorn", wie sie Apokalyp. [Offb. 15 V. 1; 19 V. 20] nennet, den "falschen Propheten" und "das Tier", und müssen miteiner ergriffen und "in den feurigen Pfuhl geworfen werden". Denn das ist von seinem Königreich von Anfang je gehöret, daß sie den Ehestand also schändlich vernichteten, wie der Papst und der Türke nun. Der Papst unter dem Schein der Keuschheit hat ihn verboten und als unrein verdammt. Der Türke reißt Mann und Weib voneinander und gibt und verkauft die Frauen, als wären's Kühe oder Kälber, davon und anderem mehr ich jenes Mal in der Heerpredigt geschrieben habe. Summa, da ist nichts anderes, als Haus-, Stadt- und Kirchenregiment zerstören, beide im Papsttum und in der Türkei.
[...]"1
___________________________________________________________________________________________
1Martin Luther; Schriften wider Juden und Türken, München 1936, S.517-519
Lat. Transkript bei: WA 50, S. 585-625
Anfragen zu Reproduktionen in hoher Auflösung und druckfähige Vorlagen erhalten Sie von der unter Bestand/Sign. genannten Einrichtung.