Martin Luther an Spalatin, "wir alle sind unbewußt Hussiten", Mitte Februar 1520
Ich habe bisher unbewußt den ganzen Johann Hus gelehrt und gehalten.[1] Auch Johann Staupitz hat in derselben Unwissenheit gelehrt.[2] Kurz, wir alle sind unbewußt Hussiten. Ja, Paulus und Augustin sind aufs Wort Hussiten. Siehe, ich bitte Dich, in was für Ungeheuerlichkeiten sind wir ohne den böhmischen Führer und Lehrer geraten: Ich weiß vor Staunen nicht, was ich denken soll, da ich so schreckliche Gerichte Gottes an den Menschen sehe. Die ganz offenbare evangelische Wahrheit, nun schon vor mehr als hundert Jahren öffentlich verbrannt, wird für verdammt gehalten, und man darf dies nicht bekennen. Wehe dem Erdreich!
Gehab Dich wohl.
WA Br. 2 42f. Zit. nach: Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, hg. von Kurt Aland, Bd. 10, Göttingen 1983, S. 73
1 Luther hatte anscheinend jetzt erst die ihm im Juli 1519 zugesandte Schrift Hussens gelesen, vgl. Brief an Staupitz vom 3. Oktober 1519. Daß Luther sich im Irrtum befindet und Hus mehr evangelisches Verständnis zuschreibt, als bei ihm zu finden ist, ist eine andere Sache und wiederholt sich bei anderen Gelegenheiten (z.B. bei der Mystik). [Kommentar Aland]
2 vgl. Luther an Staupitz, 3. Oktober 1519
[...] Ich habe zur Stunde aus Prag in Böhmen Briefe [beide vom 17. Juli 1519, in WA Br 1, 416 ff. als Nr. 185 und 186] von zwei Priestern der utraquistischen Partei, die in der heiligen Schrift sehr gelehrt sind, zusammen mit einem Büchlein des Johann Hus erhalten, welches ich noch nicht gelesen habe. Sie ermahnen mich aber zur Beständigkeit und Geduld; es sei das die reine Theologie, welche ich lehre. Sie folgen ganz erstaunlich der Methode des Erasmus, sowohl in der Denk- wie auch in der Schreibweise. Die Briefe kamen über den Hof unseres Fürsten an mich – Spalatin stellte sie mir zu – und dort ist die Tatsache nicht mehr verborgen. [...]
WA Br. 1 513f. Zit. nach: Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, hg. von Kurt Aland, Bd. 10, Göttingen 1983, S. 67
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