1. Fritz Hoch
Fritz Hoch wird am 10. Mai 1945 als kommissarischer Oberpräsident der Provinz Kurhessen eingesetzt. Amtssitz ist Kassel, das zu 75% zerbombt wurde und damit zu den am meisten zerstörten Städten in Deutschland zählt. Das Trümmerfeld dehnt sich auf etwa 180 Hektar aus. Da es noch keine Landesregierung gibt, ist Hoch für die Verwaltung aller staatlichen Aufgaben verantwortlich: in seinen Zuständigkeitsbereich fällt es, die Sicherheit und Ordnung nach den Kriegswirren wiederherzustellen, die Menschen zum Wohnen und Arbeiten unterzubringen und die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen.
Da Hessen wie auch die anderen westlichen Besatzungszonen von den Kornkammern des Ostens abgeschnitten ist und die hessische Landwirtschaft den Bedarf der Bevölkerung nicht decken kann, gestaltet sich die Versorgungssituation äusserst kritisch. Die Verwaltung verordnet eine Zwangsbewirtschaftung, deren Koordination das Landesernährungsamt übernimmt: es erfaßt die Mengen der von den Landwirten ablieferten Ernten und organisiert über Lebensmittelmarken ihre Verteilung an die Bevölkerung. Mit mäßigem Erfolg, denn in den Jahren 1946 und 1947 liegen die Tagesrationen bei durchschnittlich 1.300 Kalorien pro Kopf, während der Bedarf normalerweise 2.000 Kalorien betrüge. Die Krise wird erst nach der Währungsreform 1948 überwunden.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Angesichts der Zerstörungen vor allem auch der Verkehrswege und in Anbetracht des Rohstoffmangels ist an Gewerbefreiheit nicht zu denken. Hessischer Wirtschaftsminister und Regierungspräsident genehmigen nur einzeln auf Antrag Industriebetriebe und Unternehmen. Andere Regierungsstellen wie das Landeswirtschaftsamt, die Industrie- und Handelskammer oder die Handwerkskammer sind in die Lizensierungsverfahren eingebunden und beraten mit.
Wie die beiden anderen hessischen Regierungspräsidenten, Ludwig Bergsträsser in Darmstadt und Martin Nischalke in Wiesbaden, ist auch Fritz Hoch Sozialdemokrat. Die SPD kann im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien bei ihrer Reorganisation auf Strukturen und Personal zurückgreifen, die das NS-Regime überlebt haben. Sie bleibt sich programmatisch treu und tritt weiterhin für eine maßvolle Wirtschaftslenkung und Sozialisierung sowie eine ausgeprägte Sozialstaatspolitik ein. Im Oktober 1947 wählt die SPD- Hessen Georg-August Zinn zu ihrem Landesvorsitzenden. Der gebürtige Kasseler ist wie Fritz Hoch und die Kasselerin Elisabeth Selbert 1948/1949 Abgeordneter im Parlamentarischen Rat. Außer den drei Sozialdemokraten kommt aus Nordhessen noch der Hersfelder Max Becker als Vertreter der LDP/FDP nach Bonn, um am Grundgesetz der Bundesrepublik mitzuarbeiten.
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