1. Hexenglaube und Hexenverfolgung im Druck
Die Möglichkeiten des neuen Mediums Buchdruck, unterschiedlichste Texte und Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde vom Beginn des 16. Jahrhunderts an ausgiebig genutzt. Geistliche Texte, Rechtstexte wie auch populäre Flugschriften erfuhren dadurch eine große Verbreitung.
Rechtliche Basis für die Durchführung von Prozessen wegen Zauberei und Hexerei im Alten Reich war die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, das erste allgemein gültige Strafgesetzbuch, bekannt unter dem lateinischen Namen »Constitutio Criminalis Carolina«. Die »Carolina« sah für Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag, Brandstiftung, Falschmünzerei, Diebstahl, Vergewaltigung, Sodomie und Zauberei die Todesstrafe vor. 1535 erließ Landgraf Philipp von Hessen (1504–1567) in Anlehnung an die »Carolina« eine eigene Halsgerichtsordnung, die »Philippina«, die weitgehend der »Carolina« folgte, so auch für Fäl le von Zauberei und der Anwendung von Folter während der Verhöre.
Mit dem Phänomen der Zauberei beschäftigten sich auch zahlreiche Gelehrte, darunter Befürworter der Hexenverfolgung wie auch Kritiker, und publizierten dazu Schriften. Auch Juristen, die in die Hexenprozesse involviert waren, diskutierten in gedruckten Traktaten die Verfahrenspraxis und rechtlich relevante Themen.
Ausgehend von Kramers »Hexenhammer« entwickelte sich eine durchaus kontrovers geführte Diskussion. Es gab bereits früh Kritiker am Hexenglauben, etwa Erasmus von Rotterdam (gestorben 1536), der den Glauben an Hexerei dezidiert ablehnte. Dieser Auffassung folgten einige Reichsstädte und Territorien, so auch die Landgrafschaft Hessen, die im 16. Jahrhundert in der Frage der Hexenverfolgung zurückhaltend blieb. Ein starker Kritiker war auch der klevische Arzt Johannes Weyer (1516–1588). Mit seiner Schrift »De praestigiis daemonum« (= »Über die Blendwerke der Dämonen«) wandte er sich dezidiert gegen den Hexenhammer. Er sah die angeblichen Hexen als vom Teufel irregeleitete Geisteskranke an, die medizinischer Hilfe bedurften und nicht der justiziellen Verfolgung. Dabei berief er sich auf eigene medizinisch-psychologische Studien. Bei den Geständnissen der Angeklagten würden, so Weyer, Visionen eine Rolle spielen und auch der Einfluss von Drogen könne nicht ausschlossen werden.
Doch setzten sich die Befürworter der Hexenverfolgung durch. Einflussreich waren der Jesuit Martin del Rio oder der französische Staatsrechtslehrer Jean Bodin. Der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld (1545–1598) legte beispielsweise die vorhandenen Gesetze so aus, dass die Hexerei ein besonders schweres Verbrechen sei und zwischen schädlicher und unschädlicher Magie nicht unterschieden werden könne. Er konzentrierte sich auf die während der Verhöre angestrebte »Besagung«, also das Preisgeben und Benennen weiterer Hexen, damit auch diese verfolgt werden konnten. Binsfelds »Tractatus de confessionibus maleficorum et sagarum« wurde zum Standardwerk der Hexenverfolgung. Friedrich Spee (1591–1631) hingegen stellte in seiner Schrift »Cautio Criminalis« 1631 die Notwendigkeit von Folter bei den Prozessen sowie die Hexenverfolgung an sich infrage. Die als »Vorbehalt« formulierte Schrift war zunächst anonym erschienen, da Spee sich durch seine Hexen in Schutz nehmende Haltung selbst in Gefahr brachte.
Der hessische Raum hat einige Schriften hervorgebracht, die unterschiedliche Perspektiven auf den Hexenglauben und die Verfolgung von Zauberei dokumentieren. Auch hier griffen die Autoren auf ihre Erfahrungen zurück, die sie während ihres Mitwirkens am peinlichen Halsgericht in Marburg oder als Verwaltungsbeamte gemacht hatten. Sowohl der Vogt über die Burg Spangenberg bei Melsungen, Hans Wilhelm Kirchhof (1525/28–1605), in seiner Sammlung von Schwänken, Fabeln und Geschichten im »Wendeunmuth« (1563) als auch der Prokurator am peinlichen Halsgericht, Abraham Saur, wirkten als protestantische Moralisten pädagogisch auf die Leser ein. Dabei folgten sie dem lutherischen Magie- und Hexenverständnis und betrachteten die Hexen als die Personifizierung der Untreue und des damit verbundenen Aufstandes gegen die göttliche und weltliche Ordnung. Kirchhofs Werk besticht durch seine kleinen Geschichten aus dem Hessischen, mit denen er seine Haltung illustriert und begründet.
Saur hingegen wirkt aufgrund seiner juristischen Erfahrungen am Gericht glaubwürdig. Seine Überlegungen fanden in der Zusammenstellung von 17 Traktaten im »Theatrum de Veneficis« von 1586 weitere Verbreitung.
Mit der Zunahme der Hexenprozesse im Laufe des 17. Jahrhunderts setzte eine verstärkte Kritik daran ein. Die kritischen Stimmen überwogen bald die befürwortenden, was sich auf die Prozesse auswirkte. Ein Ende läutete jedoch erst die Schrift des Aufklärers Christian Thomasius »De Crimine Magiae« im Jahr 1701 ein. Dabei verwarf Thomasius die Idee des Hexenglaubens an sich. Während noch vorherige Kritiker wie Spee bei der während der Prozesse angewendeten Folter ansetzten, aber den eigentlichen Glauben an Hexen nicht in Frage stellten, entwickelte Thomasius seine Überlegungen ganz im Kontext der Frühaufklärung: Die Vorstellung, der Teufel könne körperliche Gestalt annehmen und einen Pakt mit den Menschen schließen, lehnte er als volkstümlichen Aberglauben ab. Folgerichtig müssten die bei der Folter erzwungenen Geständnisse als Folge der Marter ohne Beweiskraft angesehen werden, da der Mensch unter Folter bereit sei, alles zu gestehen.
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