2. Säkularisierung der Friedensidee im 16. Jahrhundert: Der Augsburger Religionsfrieden
Der Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555 war ein Reichsgrundgesetz, das die durch die Glaubensspaltung ausgelöste Verfassungskrise des Reiches beenden sollte. Die Spannungen und Konflikte ergaben sich aus der für beide Konfessionen geltenden starken geistlichen Wesensbestimmtheit der weltlichen Obrigkeit, die in der „cura religionis“ eine ihrer vornehmsten Amtsaufgaben erblickte. Infolge der Reformation kam es auch zu einer tiefen Spaltung der Rechtsordnung, die bis in die 1550er Jahre immer wieder durch mehrdeutige Formelkompromisse verdeckt wurde. Der Augsburger Religionsfrieden schuf mit seinen Schutzbestimmungen für das Bekenntnis und Kirchenwesen von Lutheranern und Katholiken, der vollen Garantie der weltlichen Rechtsstellung und religiösen Freiheit der weltlichen Reichsstände („cuius regio, eius religio“; „ius reformandi“), dem „Geistlichen Vorbehalt“, dem religiösen Emigrationsrecht der Untertanen („ius emigrandi“) etc. eine politische Koexistenzordnung zwischen beiden Konfessionen. Was als weltliche Zwischenlösung bis zur kirchlichen Wiedervereinigung gedacht war, führte im Ergebnis ungewollt zur Verfestigung der Glaubensspaltung. Letztlich konnte das Reich als äußere politische Einheit nur in der religiösen Spaltung und Vielfalt bestehen, indem es den Konfessionen, die einander geistlich die Wahrheit und das Lebensrecht bestritten, weltliche Freiheit und Gleichheit garantierte. Im Westfälischen Frieden bestätigt und weiterentwickelt, bildete der Augsburger Religionsfrieden bis 1803/1806 das Fundament der paritätischen Religionsverfassung im Reich und der obrigkeitlichen Kirchenherrschaft in den Territorien.
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