Beschlüsse des 4. Laterankonzils zur Ausgrenzung der Juden, 30. Nov. 1215
Je mehr die Christenheit im Zinsnehmen beschränkt wird, desto stärker wächst die Treulosigkeit der Juden ihnen über den Kopf, so dass in kurzer Zeit das Vermögen der Christen erschöpft wird. Wir wollen also in diesem Stück für die Christen sorgen, damit sie nicht maßlos durch die Juden beschwert werden. Wir bestimmen demnach durch Synodaldekret, dass, wenn unter irgendeinem Vorwand die Juden von Christen unmäßige Zinsen erpressen, ihnen der Verkehr mit den Christen entzogen werde, bis sie ihnen wegen der unmäßigen Belastung eine angemessene Genugtuung gegeben haben. Auch die Christen sollen, wenn nötig, durch Kirchenstrafen, zunächst unter Ausschluss des Berufungsweges, angehalten werden, sich des Handels mit ihnen zu enthalten. Den Fürsten aber legen wir auf, dass sie deswegen den Christen nicht feind sein sollen, sondern sich vielmehr bemühen, die Juden von solcher Beschwerung der Christen abzuhalten. Mit derselben Strafe haben wir beschlossen, die Juden anzuhalten, dass sie den Kirchen Genugtuung bezüglich der schuldigen Zehnten und Opferpfennige geben, welche die Kirchen von den Christen für Häuser und andere Besitztümer zu bekommen pflegten, bevor letztere an die Juden unter irgendeinem Rechtstitel gekommen sind, damit auf diese Weise die Kirchen schadlos gehalten werden.
In einigen Provinzen unterscheidet Juden oder Sarazenen von den Christen die K l e i d u n g, aber in anderen ist eine solche Regellosigkeit eingerissen, dass sie durch keine Unterscheidung kenntlich sind. Es kommt daher manchmal vor, dass irrtümlich Christen mit jüdischen oder sarazenischen und Juden oder Sarazenen mit christlichen Frauen sich vermischen. Damit also den Ausschweifungen einer so abscheulichen Vermischung in Zukunft die Ausflucht des Irrtums abgeschnitten werde, bestimmen wir, dass Juden und Sarazenen beiderlei Geschlechts in jedem christlichen Land und zu jeder Zeit durch ihre Kleidung öffentlich sich von den anderen Leuten unterscheiden sollen, zumal da man schon bei Moses liest, dass ihnen eben dies auferlegt ist. An den letzten drei Tagen vor Ostern aber und am ersten Passionssonntag (Judica), sollen sie sich überhaupt nicht öffentlich zeigen und zwar deswegen, weil einige von ihnen, wie wir gehört haben, sich nicht scheuen, an solchen Tagen erst recht geschmückt einherzugehen und die Christen, welche zum Gedächtnis der allerheiligsten Passion die Zeichen der Trauer anlegen, zu verspotten. Dies aber verbieten wir aufs strengste, damit sie sich nicht herausnehmen, zur Schmach des Erlösers ihre Freude zu zeigen. Und da wir die Beschimpfung dessen, der unsere Schuld getilgt hat, nicht verleugnen dürfen, so befehlen wir, dass derartige Frevler durch die weltlichen Fürsten, durch Auflegung einer angemessenen Strafe, gedämpft werden, damit sie nicht wagen, den für uns Gekreuzigten zu lästern.
Da es allzu sinnlos wäre, dass ein Lästerer Christi über Christen Gewalt habe, so erneuern wir das, was hierüber das Konzil von Toledo weise verfügt hat, unsererseits wegen des Frevelmutes der Übertreter dieses Gebotes in dieser Sitzung. Wir verbieten hiermit, dass Juden zu öffentlichen Ämtern zugelassen werden, weil sie unter dem Vorwand des Amtes den Christen am meisten aufsässig sind. Wenn aber jemand ihnen ein solches Amt übertragen hat, so soll er durch das Provinzialkonzil, dessen jährliche Abhaltung wir befehlen, nach vorgängiger Ermahnung mit der gebührenden Strafe belegt werden. Einem derartigen jüdischen Beamten aber soll so lange der Handelsverkehr und jeder andere Verkehr mit Christen verweigert werden, bis, unter sorgsamer Kontrolle des Diözesanbischofs zum Nutzen armer Christen, alles dasjenige verwendet ist, was er von Christen gelegentlich dieses so übernommenen Amtes erhalten hat. Das Amt selbst aber, das er respektloserweise angenommen hat, soll er mit Schanden wieder aufgeben. Dasselbe Gebot dehnen wir auf die Heiden aus.
Einige (Juden), welche freiwillig zur heiligen Taufe gekommen sind, ziehen, wie wir erfahren, keineswegs den alten Menschen aus, um den neuen anzuziehen. Sie bewahren Reste ihres früheren Religionsbrauches und verunreinigen die Herrlichkeit der christlichen Religion durch solche Vermischung. Da aber geschrieben steht (Sirach 2, 14): „Verflucht der Mensch, der auf zwei Wegen in das Land hineingeht”, und da man ein Kleid nicht anziehen darf, das aus Leinen und Wolle gewebt ist (3. Mose 19, 19; 5. Mose 22, 11), so bestimmen wir, dass solche Leute durch die Prälaten der Kirche von der Beobachtung ihres alten Religionsbrauches auf alle Weise abgehalten werden. Denn diejenigen, die sich aus freiem Willen der christlichen Religion dargeboten haben, soll ein heilsamer Zwang auch zu ihrer Beobachtung anhalten, da es ein geringeres übel ist, den Weg des Herrn nicht zu erkennen, als von dem Erkannten wieder abzugehen.
Wenn aber jemand nach dem Heiligen Land geht und eidlich gezwungen ist, Zinsen zu geben, so befehlen wir, dass die Gläubiger solcher Leute bei Vermeidung kirchlicher Strafe angehalten werden sollen, sie des geleisteten Eides zu entbinden und von der Eintreibung der Zinsen Abstand zu nehmen. Wenn aber einer der Gläubiger sie trotzdem zur Bezahlung von Zinsen gezwungen hat, so befehlen wir, ihn mit der gleichen Strafe zur Zurückerstattung derselben zu zwingen. Was aber die Juden betrifft, so befehlen wir, sie durch die weltliche Macht zum E r l a s s e n der Zinsen anzuhalten. Bis zur erfolgten Rückzahlung hat aller Verkehr von Christen mit ihnen bei Strafe des Bannes zu unterbleiben.
Julius Höxter, Quellenlesebuch zur jüdischen Geschichte und Literatur. III. Teil, Frankfurt a.M. 1927, S. 15-18
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