Der Umschlag in die Irrationalität. Aus einem Aufsatz von Christof Schorsch, 1989
Nicht daß die Moderne nicht erfolgreich gewesen wäre, sie erwies sich, im Gegenteil, in ihrer Vereinseitigung als zu erfolgreich. Es sind das technisch-industriell halbierte und ins Äußerste vorangetriebene Fortschrittsprojekt, der SelbstIauf der Mittel und die Korruption durch Geld und Macht, welche nicht nur in die Krise, sondern auch zum dialektischen Umschlag des modernen Denkens in neue A- und Ir-Rationalität geführt haben. Hierin kommt das wachsende Unbehagen an der wissenschaftlich-technischen Zivilisation besonders deutlich zum Ausdruck. Denn weithin wird Vernunft nicht mehr im emphatischen Sinn als Medium von Aufklärung und Emanzipation verstanden, sondern als Herrschaftsinstrument und als Gedankenpolizei - oder sogar als Urheberin aller Übel dieser, der modernen Welt. Wo Rationalität insgesamt abgewirtschaftet zu haben scheint (und nicht bloß ihre Engführung auf formale Zweckrationalität), sucht man Wissen und Weisheit beispielsweise in den magischen und mythischen Überlieferungen sogenannter Naturvölker und in den vom kulturellen Hauptstrom der Moderne verdrängten und verschütteten Traditionen .... "Wiederverzauberung der Welt" könnte in der Tat das von der New-Age-Bewegung verfolgte Gegenprogramm zum "Projekt der Moderne" lauten. Wurde in den sechziger und siebziger Jahren das Prinzip Hoffnung rein innerweltlich und in erster Linie politisch verstanden, so richten sich die Hoffnungen jetzt auf Überwindung der Vernunft durch ihr Anderes, auf Entzauberung eier Ratio und die frei schwebende Einbildungskraft. Darin ist die New-Age-Bewegung ein nachgerade postmodernes Phänomen ....
Postmodernismus - das ist Denken in der Krise in dem doppelten Sinn, daß dieses Denken nicht nur in der Krise situiert, sondern selbst krisenhaft ist, insofern als es seinen rationalen Grundlagen nicht mehr vertraut und den aufklärerischen Anspruch aufgibt, Ordnung in die heillose Verwirrung der Welt bringen zu wollen. Statt dessen identifiziert es Ordnung mit Terror und ist gegenüber seinen eigenen universalistischen Ansprüchen zutiefst mißtrauisch. Aufgrund dessen ist es ein wesentliches Merkmal der Postmoderne, daß die Gültigkeit der einen Vernunft, der einen Geschichte, der einen Subjektivität forciert bestritten wird. Laßt viele Blumen blühen, dieses Motto der Postmoderne steht für das Ende der neuzeitlichen Grundideen. der wissenschaftlichen Wahrheitssuche. eier Weltgeschichtsphilosophien Lind der sozial-utopischen Globalentwürfe. Das bedeutet im Extremfall freilich auch die Abkehr vom Sonderweg der abendländischen Kultur (die meist aber mehr verkündet als tatsächlich vollzogen wird).
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