Der „Krefelder Appell": Erklärung des Krefelder Forums zum NATO-Doppelbeschluß vom 16. November1980. Unter dem Motto "Der Atomtod bedroht uns alle - Keine Atomraketen in Europa" fand am 15. und 16. November 1980 in Krefeld ein rüstungspolitisches Forum statt, das mit der folgenden Erklärung beendet wurde.
Immer offensichtlicher erweist sich der Nachrüstungsbeschluß der NATO vom 12. Dezember 1979 als verhängnisvolle Fehlentscheidung. Die Erwartung, wonach Vereinbarungen zwischen den USA und der Sowjetunion zur Begrenzung der eurostrategischen Waffensysteme noch vor der Stationierung einer neuen Generation amerikanischer nuklearer Mittelstreckenwaffen in Westeuropa erreicht werden könnten, scheint sich nicht zu erfüllen. Ein Jahr nach Brüssel ist noch nicht einmal der Beginn solcher Verhandlungen in Sicht. Im Gegenteil: Der neugewählte Präsident der USA erklärt unumwunden, selbst den bereits unterzeichneten SALT-II-Vertrag zur Begrenzung der sowjetischen und amerikanischen strategischen Nuklearwaffen nicht akzeptieren und deshalb dem Senat nicht zur Ratifizierung zuleiten zu wollen.
Mit der Verweigerung dieser Ratifizierung durch die USA würde jedoch die Aussicht auf Verhandlungen zur Begrenzung der eurostrategischen Nuklearwaffen unvermeidbar in noch weitere Ferne rücken. Ein selbstmörderischer Rüstungswettlaufkönnte nicht im letzten Augenblick gestoppt werden; seine zunehmende Beschleunigung und offenbar konkreter werdende Vorstellungen von der scheinbaren Begrenzbarkeit eines Nuklearkrieges müßten in erster Linie die europäischen Völker einem untragbaren Risiko aussetzen. Die Teilnehmer am Krefelder Gespräch vom 15. und 16. November 1980 appellieren daher gemeinsam an die Bundesregierung,
- die Zustimmung zur Stationierung von Pershing-TI-Raketen und Marschflugkörpern in Mitteleuropa zurückzuziehen;
- im Bündnis künftig eine Haltung einzunehmen, die unser Land nicht länger dem Verdacht aussetzt, Wegbereiter eines neuen, vor allem die Europäer gefährdenden nuklearen Wettrüstens sein zu wollen.
In der Öffentlichkeit wächst die Sorge über die jüngste Entwicklung. Immer entscheidender werden die Möglichkeiten einer alternativen Sicherheitspolitik diskutiert. Solche Überlegungen sind von großer Bedeutung für den demokratischen Prozeß der Willensbildung und können dazu beitragen, daß unser Volk sich nicht plötzlich vollzogenen Tatsachen gegenübergestellt sieht.
Alle Mitbürgerinnen und Mitbürger werden deshalb aufgerufen, diesen Appell zu unterstützen, um durch - unablässigen und wachsenden Druck der öffentlichen Meinung eine Sicherheitspolitik zu erzwingen, die
- eine Aufrüstung Mitteleuropas zur nuklearen Waffenplattform der USA nicht zuläßt;
- Abrüstung für wichtiger hält als Abschreckung;
- die Entwicklung der Bundeswehr an dieser Zielsetzung orientiert.
Gert Bastian. Würzburg · Prof.Dr.Dr. h.c.KarI Bechert, Weilmünster · Petra K. Kelly, Nürnberg Dr. Martin Niemöller; Wiesbaden Prof. Dr. Helmut Ridder, Gießen· Christoph Strässer, Münster . Gösta von Uexküll, Hamburg . Josef Weher, Köln.
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