2. Der Aufstieg der Grünen und die Bündnisdebatte in der SPD
In der im Jahre 1980 gegründeten Partei "Die GRÜNEN" bündelten sich die parlamentarischen Bestrebungen einer breit gefächerten Protestbewegung, die sich an den vier Grundsätzen ökologisch - sozial- basisdemokratisch - gewaltfrei orientierte. Die GRÜNEN konnten sich als neue politische Kraft trotz vielfacher scharfer Auseinandersetzungen zwischen reformorientierten "Realos" und systemoppositionellen "Fundis" im Laufe der achtziger Jahre schnell im Parteiengefüge der Bundesrepublik etablieren und sie übernahmen auf kommunaler Ebene und auch in verschiedenen Landesregierungen (Hessen, Niedersachen, Berlin) in Koalitionen mit der SPD politische Verantwortung. Innerhalb der SPD löste die Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit den neuen sozialen Bewegungen bzw. den GRÜNEN eine z.T. mit erheblicher Schärfe geführte Kontroverse aus, in der die alten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zielkonflikte zwischen rechtem und linkem Parteiflügel erneut aufbrachen. Das Ende der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und der Machtverlust der SPD im Jahre 1982 sind neben anderen Faktoren nicht zuletzt auch aus dieser Perspektive zu interpretieren.
Aus dem Bundesprogramm der Grünen, 1981
1. Präambel (Entwurf)
Einleitung
Wir sind die Alternative zu den herkömmlichen Parteien. Hervorgegangen sind wir aus einem Zusammenschluß von grünen, bunten und alternativen Listen und Parteien. Wir fühlen uns verbunden mit all denen, die in der neuen demokratischen Bewegung mitarbeiten: den Lebens-, Natur- und Umweltschutzverbänden. den Bürgerinitiativen, der Arbeiterbewegung, christlichen Initiativen, der Friedens- und Menschenrechts-, der Frauen- und Dritte-Welt-Bewegung. Wir verstehen uns als Teil der grünen Bewegung in aller Welt…
Die Zerstörung der Lebens- und Arbeitsgrundlagen und der Abbau demokratischer Rechte haben ein so bedrohliches Ausmaß erreicht, daß es einer grundlegenden Alternative für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bedarf. Deshalb erhob sich spontan eine demokratische Bürgerbewegung. Es bildeten sich Tausende von Bürgerinitiativen, die in machtvollen Demonstrationen gegen den Bau von Atomkraftwerken antreten, weil deren Risiken nicht 15 zu bewältigen sind und weil deren strahlende Abfälle nirgends deponiert werden können; sie stehen auf gegen die Verwüstung der Natur, gegen die Betonierung unserer Landschaft, gegen die Folgen und Ursachen einer Wegwerfgesellschaft, die lebensfeindlich geworden ist.
Ein völliger Umbruch unseres kurzfristig orientierten wirtschaftlichen Zweckdenkens ist notwendig. Wir halten es für einen Irrtum, daß die jetzige Verschwendungswirtschaft noch das Glück und die Lebenserfüllung fördere; im Gegenteil, die Menschen werden immer gehetzter und unfreier. Erst in dem Maße, wie wir uns von der Überschätzung des materiellen Lebensstandards freimachen, wie wir wieder die Selbstverwirklichung ermöglichen und uns wieder auf Grenzen unserer Natur besinnen, werden auch die schöpferischen Kräfte frei werden für die Neugestaltung eines Lebens auf ökologischer Basis ....
Gegenüber der eindimensionalen Produktionssteigerungspolitik vertreten wir ein Gesamtkonzept. Unsere Politik wird von langfristigen Zukunftsaspekten geleitet und orientiert sich an vier Grundsätzen: sie ist ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei.
Ökologisch
Ausgehend von den Naturgesetzen und insbesondere von der Erkenntnis, daß in einem begrenzten System kein unbegrenztes Wachstum möglich ist, heißt ökologische Politik, uns selbst und unsere Umwelt als Teil der Natur zu begreifen. Auch das menschliche Leben ist in die Regelkreise der Ökosysteme eingebunden: wir greifen durch unsere Handlungen ein und dies wirkt auf uns zurück. Wir dürfen die Stabilität der Ökosysteme nicht zerstören ..
Sozial
Eine zukünftige soziale Politik muß zum Ziele haben, ein stabiles Sozialsystem zu errichten. Sozial hat vor allem eine ökonomische Komponente.... Sowohl aus der Wettbewerbswirtschaft als auch aus der Konzentration wirtschaftlicher Macht in staats- und privatkapitalistischen Monopolen gehen jene ausbeuterischen Wachstumzwänge hervor, in deren Folge die völlige Verseuchung und Verwüstung der menschlichen Lebensbasis droht. Hier genau verbinden sich die Umweltschutz- und Ökologiebewegung mit der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung ....
Unsere gesellschaftlichen Verhältnisse produzieren massenhaftes soziales und psychisches Elend. Besonders betroffen von dieser Situation sind ethnische, soziale, religiöse und sexuell diskriminierte Bevölkerungsteile. Das soziale System wird zunehmend unstabiler. Die Folgen sind steigende Kriminalität, erhöhte Selbstmordraten. Drogenkonsum und Alkoholismus. Offensichtlich wird dieser gesellschaltliehe Zustand auch durch die Tatsache, daß die Frauen in fast allen gesellschaftlichen Bereichen benachteiligt und unterdrückt werden.
Basisdemokratisch
Basisdemokratische Politik bedeutet verstärkte Verwirklichung dezentraler, direkter Demokratie. Wir gehen davon aus, daß der Entscheidung der Basis prinzipiell Vorrang eingeräumt werden muß .... Wir setzen uns in allen politischen Bereichen dafür ein, daß durch verstärkte Mitbestimmung der betroffenen Bevölkerung in regionalen, landesweiten und bundesweiten Volksabstimmungen Elemente direkter Demokratie zur Lösung lebenswichtiger Planungen eingeführt werden ....
Kerngedanke ist dabei die ständige Kontrolle aller Amts- und Mandatsinhaber und Institutionen durch die Basis (Öffentlichkeit, zeitliche Begrenzung) und die jederzeitige Ablösbarkeit, um Organisation und Politik für alle durchschaubar zu machen und um der Loslösung einzelner von ihrer Basis entgegen zu wirken.
Gewaltfrei
Wir streben eine gewaltfreie Gesellschaft an, in der die Unterdrückung von Menschen und Gewalt von Menschen gegen Menschen aufgehoben ist. Unser oberster Grundsatz lautet: Humane Ziele können nicht mit inhumanen Mitteln erreicht werden.
Gewaltfreiheit gilt uneingeschränkt und ohne Ausnahme zwischen allen Menschen, also ebenso innerhalb sozialer Gruppen und der Gesellschaft als Ganzem als auch zwischen Volksgruppen und Völkern. Das Prinzip der Gewaltfreiheit berührt nicht das fundamentale Recht auf Notwehr und schließt sozialen Widerstand in seinen mannigfachen Varianten ein. Widerstand kann langfristig am wirksamsten auf soziale Weise geführt werden, wie das Beispiel der Anti-Atombewegung zeigt. Wir sind ebenso grundsätzlich gegen die Anwendung zwischenstaatlicher Gewalt durch
Kriegshandlungen.
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