Dokument 2
Spezifikation der arbeitsunfähigen Häftlinge im Kasseler Zuchthaus
Urheber
Rudolph Heinrich Osterwald (Zuchthauskassierer)
Datum
25.01.1730
Bestand/Sign.
HStAM 17 II Nr. 1889
Die Spezifikation gibt nicht nur Auskunft über den Gesundheitszustand der Häftlinge und die Ursachen ihrer Arbeitsunfähigkeit, sondern auch über die von ihnen verübten Delikte. Zum ganz überwiegenden Teil handelte es sich bei den Zuchthaussträflingen um Diebe. Auffällig ist der hohe Anteil weiblicher Gefangener, was u.a. damit zusammenhing, dass Männer tendenziell eher mit öffentlichen Arbeitsstrafen belegt wurden. Wegen der vorherrschenden Tendenz, dass Zuchthäuser vor allem auch profitabel sein mussten, stellten arbeitsunfähige Häftlinge unter Kostengesichtspunkten eine enorme Belastung für die Strafanstalten dar, was in dem zur Spezifikation gehörenden Bericht nachdrücklich unterstrichen wird.
Transskription:
Specification derer Züchtlinge, von welchen gegenwärtig die Zuchthausschulden nicht allein gehäuft, sondern auch nebst andern Impedimentis, daß sich das Zuchthaus nicht selbst unterhalten kann im Wege stehen No. 1. Anna Maria Lohmännin ist seither a[nn]o 1722 vom H[errn] Oberschultheißen condemniret, dem Zuchthaus zur schweren Last und Unkosten gesessen und hat die meiste Zeit wenig oder gar nichts verdient. [Bemerkung:] Die kann nicht erlassen werden, indem sie in p[unct]o [unleserlich] fustigiret, in puncto [unleserlich], da ihr die [unleserlich] abgehalden, hiernach wegen vielfaltigen Diebstahls auf Seiner Hochfürstl[ichen] [folgt gestrichen: Regierung] D[urc]hl[auch]t gnädigsten Befehl zum Z[ucht]haus gnedigst condemniret. 2. Wilhelm Nagel ist gleichfalls a[nn]o 1726 ins Zuchthaus ad instantiam Bürgerm[ei]st[e]r und Rath zu Rinteln condemnirt worden, ist ebenfalls die gantze Zeit zur Arbeit untüchtig gewesen, befindet sich de praesenti krumm und lahm. [Bemerkung:] Wann dieser so elend und gebrechl[ich], daß keine Hoffnung für Wiedergenesung zu haben, so konnte man solchen wohl erlassen, doch stelle es in der H[erren] Concommissariorum Belieben. 3. Anna Barbara Buschleppin ist a[nn]o 1726 von d[em] H[errn] Oberschultheißen ins Zuchthaus gesandt und ebenfalls die meiste Zeit zur Arbeit untüchtig gewesen, liegt bis dato schwerlich krank. [Bemerkung:] Sofern das Delictum zu enorm und die Zuchtlingin dem Z[ucht]hause eher schaden als nützlich, so stunde dieselbe, wenn die übrige H[erren] Concommissariis dem consentiren, zu erlassen. 4. Martin Otte ist wegen seines starken Gebrechens am Rücken und Epilepsie die meiste Zeit zur Arbeit incapabel gewesen. [Bemerkung:] Dem fürstl[ich] gnedigsten Reglement nach stehet die Zuchtlingen [unleserlich] eine Epileptica länger im Zuchthause zu erhalten. 5. Adam Henrich Horstmann ist seither a[nn]o 1728 dem Zuchthaus wegen seiner zur Arbeit incapablen Leibsconstitution zur schweren Last gewesen. Von Fürstl[icher] General-Kriegs-Commission wegen eines dem Pfarrer zu Kirchdittmar verübten geringen Gartendiebstahls condemnirt worden, verspricht vor die übrige Zeit 8 R[eichs]th[ale]r ins Zuchthaus zu bezahlen. [Bemerkung:] Dieser Horstmann, so ein Soldat, ist ein famoser Gartendieb; ist durch S[ei]n[e] Durchl[aucht] Prince Wilhelm special gnädigsten Befehl zum Zuchthaus gegeben worden und stehet nicht zu erlassen. [Bemerkung von anderer Hand:] Ich confirmire mich mit d[em] H[errn] Rath Thaurer und muß die [folgt Streichung] Strafe mit Geldt nicht abgekauft werden, sonst konnte ein Dieb allemahl mit Geldt sich loshelfen und hernach desto mehr zu stehlen Anlaß bekommen. 6. Catharina Elisabeth Germerodin ist wegen Hurerey von Fürstl[ichem] Consistorio a[nn]o 1728 condemnirt worden, hat wegen ihrer ins Zuchthaus mitgebrachten Kinder wenig verdienen können; ist gegenwärtig an Beinen dick geschwollen. [Bemerkung:] Diese stehet bis noch nicht zu erlassen. 7. Martha Elisabeth Stoltzebachin ist wegen Hurerey von Fürstl[ichem] Consistorio 1729 condemnirt, ist gantz contract und zur Arbeit incapabel. 8. Margaretha Hochappelin ist a[nn]o 1729 von d[em] H[errn] Oberschultheißen ins Zuchthaus wegen einer gestohlenen Gans gesand, ist aber gantz contract und die geringste Arbeit von ihr nicht zu praetendiren. [Bemerkung:] Diese Weibsperson ist eine Ertzprostibulin, deswegen sie sey zum drittenmahl im Zuchthaus, auch bereits zu Eschwege wegen Diebstahls fustigirt. [Bemerkung von anderer Hand:] Solches attestire ebenfalls, und daß dieselbe nimmermehr das Stehlen lasset und zum offtern im Zuchthause gewesen. [folgt Paraphe] 9. Amarentia Schmittauin ist gleich obiger von d[em] H[errn] Oberschultheißen condemnirt aber eiusdem farinae und dem Zuchthause zum Ruin. 10. George Wengefeld ist a[nn]o 1729 zum Zuchthaus wegen Salpetergraberey condemnirt und zur Arbeit alters und blöden Gesichts wegen incapabel und dem Zuchthaus zum Ruin. Verspricht vor die ubrige Zeit 4 R[eichs]th[a]l[e]r [Bemerkung:] Ist als ein Falsarii, und welcher auf falsche Salpeter Patenta Salpeter graben wollen, und die armen Unterthanen gar sehr betrogen; und selbigen über 40 Gulden Geld abgenommen, und solches noch nicht restituiret, ist ebenfalls auf S[eine]r Durch[laucht] Prince Wilh[elm] gnädigsten Befehl ins Zuchthaus gegeben worden. Stehet also noch nicht zu entlassen. [Bemerkung von anderer Hand:] Weilen dieser Mann den Insultens lange ganz gebusset, so glaubt, daß er gegen Jahrgeldt in 4 Wochen zu erlassen. 11. Anna Maria Landsbachin ist a[nn]o 1729 wegen Verführung einiger Soldaten ins Zuchthaus condemnirt und wegen ihres bey sich habenden kleinen Kindes und stetter Bettlägerigkeit zur Arbeit gantz incapabel und dem Zuchthaus zum größten Ruin. [Bemerkung:] Diese Landsbach, so verschiedene Leuthe zur desertia verleitet und denen [unleserlich] zugeführet, ist ohne special gnädigsten Befehl S[eine]r Duchl[aucht] Prince Wilhelm, als welche das Urthel confisziret, nicht zu erlassen. [Bemerkung von anderer Hand:] Conformiret mich. 12. Johann Jost Hassellach ist a[nn]o 1729 von Fürstl[icher] Regie[rung] in p[unc]to falsi condemniret, offeriret vor die noch zu sitzen habende 2 Monath 4 R[eichs]th[a]l[e]r ans Zuchthaus zu bezahlen. [Bemerkung:] Dieser muß seine gesetzte Zeit, weilen das delictum gegen Seine H[och]f[ürstlichen] D[urc]hl[auch]t hohe Persohn geschehen, ausstehen. 13. Anna Christina Weisbrodtin ist a[nn]o 1729 von d[em] H[errn] Oberschultheiß wegen gekauften Diebstahls ins Zuchthaus condemnirt; ist zur Arbeit untüchtig und offeriret vor die übrige Zeit 8 R[eichs]th[a]l[e]r ans Zuchthaus zu zahlen. [Bemerkung:] Wenn diese sufficiente caution geleistet, nach ihrer reconvalescence sich wieder zu stellen, so stunde dieselbe inzwischen zu erlassen. 14. Elisabeth Schwartzin [Name gestrichen] 15. Elias Bötter 16. Ricus Lohmann 17. Elisabeth Hahnin [Name gestrichen] 18. Martin Jäger Diese 5 sind a[nn]o 1729 von d[em] H[errn] Oberschultheißen übersandt und zur Arbeit theils wegen Epilepsi und andern Gebrechen gäntzlich zur Arbeit incapabel und dem Zuchthaus zur größten Last. [Bemerkung:] Wie lange sie Epileptici seyn und was ein jedweder Gebrechen und wie lange er condemniret, muß zuforderst specifice gesezt werden. Cassel, d[en] 25t[en] Jan[uar] 1730 N[o]t[a]: Die oben sub N[umer]o 1 stehende Lohmännin hat jederzeit im Gewölbe alleine sitzen und neben der ordinairen Züchtlingskost mit appartem Holtz und Licht versehen werden müssen, welches gering angerechnet alle Wochen auf 2/3 R[eichs]th[a]l[e]r sich belauft, hat also diese eintzige Lohmannin in denen 8 Jahren jedes Jahr 34 2/3 R[eichs]th[a]l[e]r zusammen dem Zuchthaus bis dato Schaden gethan. In fidem R.H. Osterwald h[oc] t[itulo] Cassirer Breitenstein |
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