Anklageschrift des Oberstaatsanwaltes Hadding in Marburg/L. betreffend Beteiligung an der Kirchhainer "Judenaktion" am 8. November 1938, 15. Dezember 1949 [Dokumentabschnitt 1].
Oberstaatsanwalt Hadding klagt bei der Strafkammer des Landgerichts Marburg/ L. u.a Walter Biedermann, Ernst Teichmann, Otto Teichmann und Hermann Mandt "des schweren Landfriedensbruchs in Tateinheit mit schweren Hausfriedensbruchs und gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen" an.
Außerdem erhebt er Anklage gegen diverse Kirchhainer Bürger, die sich an den Plünderungen und der Zerstörung der Synagogeneinrichtung beteiligt hatten.
Hadding erklärt, dass die Aktion nicht Ausdruck einer Volksempörung gewesen sei, sondern "von den höheren und örtlichen Parteistellen planmäßig inszeniert" worden sei. Die Planung der Aktion durch Biedermann sei mit der SS-Standarte abgesprochen gewesen.
Die Misshandlung der örtlichen jüdischen Einwohner Plaut, Wertheim, Haas und Stern sei unter dem Kommando Otto Teichmanns gestanden.
Ein Teil der Angeklagten habe dann die Synagoge im Innern beschädigt.
Nach Beendigung der "offiziellen" Aktion seien durch "eine über hundertköpfige Menge" weitere Zerstörungen, Plünderungen und Verwüstungen der Synagoge und Wohnhäusern jüdischer Einwohner Kirchhains vorgenommen worden. Gegen diese gemeinschaftliche Aktion sei von den örtlichen Polizeibehörden auf Befehl zunächst kein Widerstand erfolgt.
"Der intellektuelle Urheber und Anstifter der gesamten Aktion" sei Walter Biedermann.
Aufgrund seines Ranges und dem damit verbundenen Einfluss sei auch Ernst Teichmann "in besonderer Weise verantwortlich," ebenfalls Otto Teichmann.
Bürgermeister Metzler wirft Hadding vor, wider besseres Wissen die ihm unterstandenen Polizeikräfte nicht eingesetzt zu haben.
Eine Strafverjährung schließ Hadding aus, weil gegen die vom NSDAP- Gaugericht Kurhessen (siehe Dokument) benannten Täter "aus politischen Gründen" kein Strafverfahren eingeleitet worden ist, "weil die damaligen Staatsorgane entweder das Geschehene billigten oder aber eine Blosstellung des Nationalsozialismus durch Aufdeckung der Beteiligung der nationalsozialistischen Täter, insbesondere der SS-Angehörigen, verhindern wollten".
Aus technischen Gründen ist das Dokument in vier Abschnitte geteilt:
Abschnitt 2 siehe Dok 16.1.
Abschnitt 3 siehe Dok 16.2.
Abschnitt 4 siehe Dok 16.3.
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