Der Kapp-Lüttwitz-Putsch
Der neue Staat musste sich auch gegen den Widerstand der Rechten behaupten. Das durch den Versailler „Schmachfrieden“ in seinem Nationalstolz getroffene Bürgertum war nur allzu bereit, die Legende vom Dolchstoß in den Rücken des im Felde angeblich ungeschlagenen Heeres zu glauben. Neben den restaurativen Strömungen etwa der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), die sich bereits Ende 1919 zur Monarchie bekannte, bildete sich ein neuer Nationalismus" heraus, dem vor allem die Völkischen mit ihrem auf pseudowissenschaftlichen Rassenlehren gegründeten Antisemitismus huldigten. Sie waren in einer Unzahl von Gruppen und Bünden (Thule-Gesellschaft, Wälsungen-Orden, Deutschvölkischer Schutz- und Trotzverband u. v. a.) organisiert, verstanden sich als kämpferisch und revolutionär und trachteten danach, mit Hilfe eines "Führers" die Ideen der Volksgemeinschaft und des "deutschen Sozialismus" zu verwirklichen.
Dieser auf Frontkameradschaft basierende und das Führertum kultivierende neue Nationalismus war auch besonders in den Freikorps vertreten, die kein inneres Verhältnis zu dem neuen Staat, dem „System“, gefunden hatten. Als zur Durchführung der Versailler Vertragsbestimmungen das Heer reduziert werden musste, erreichte die Unzufriedenheit in der Armee und besonders bei den von Auflösung bedrohten Freikorps ihren Höhepunkt. Im März 1920 sollte die Marinebrigade Ehrhardt aufgelöst werden; sie widersetzte sich jedoch und wurde in ihrem Widerstand durch General von Lüttwitz, den Oberbefehlshaber der Truppen in Berlin, unterstützt. In einer erregten Beratung in der Nacht vom 12. zum 13. März zwischen Reichswehrminister Noske und der Reichswehrführung wurde deutlich, dass der größte Teil der Armee nicht hinter der Regierung stand. General von Seeckt, der Chef des Truppenamtes, erklärte unmissverständlich, dass Reichswehr nicht auf Reichswehr schieße. Daraufhin floh die Regierung zuerst nach Dresden, dann nach Stuttgart. Nachdem die Brigade Ehrhardt Berlin kampflos eingenommen hatte, beauftragte Lüttwitz den Alldeutschen Wolfgang Kapp, der schon längere Zeit einen Staatsstreich geplant hatte, mit der Bildung einer neuen Regierung. Der Putsch scheiterte allerdings bereits nach wenigen Tagen (17. März) sowohl am verfassungstreuen Verhalten und passiven Widerstand der Beamten wie am Generalstreik der Gewerkschaften.
Noske, dessen Stellung in seiner eigenen Partei unhaltbar geworden war, trat zurück; auch General Reinhardt, als Chef der Heeresleitung einer er wenigen regierungstreuen Offiziere, nahm seinen Abschied und wurde durch General von Seeckt ersetzt. Der Kapp-Putsch offenbarte das zwiespältige Verhältnis zwischen Republik und Reichswehr. Diese verharrte den Republikfeinden von rechts gegenüber weiterhin in einer neutralen Stellung und verweigerte die Identifikation mit dem demokratischen Staat.
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch war für große Teile der Arbeiterschaft eine Herausforderung, auf die diese durch Organisierung von Selbstschutztruppen reagierte.
Im Ruhrgebiet, in Sachsen, und Thüringen gingen die Arbeiten gegen die Freikorps vor; die Auseinandersetzungen mündeten in regelrechte Bürgerkriegskämpfe.
In Berlin setzten die Gewerkschaften nach dem Fehlschlag des Putsches den Generalstreik mit dem Ziel fort, gesellschaftliche und politische Sicherungen für die demokratische Fortentwicklung der Republik (unter anderem Sozialisierung der dafür reifen Wirtschaftszweige; gewerkschaftliche Einfluss auf die Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung) zu schaffen („Acht-Punkte-Programm“).
Die im Ruhrgebiet gebildete Rote Armee, in der USPD und radikal-syndikalistische Gruppen mehr Einfluss hatten als die KPD, konnte wochenlang Widerstand leisten.
Als es Anfang Mai der Regierung mit Hilfe der Reichswehr und Sicherheitspolizei gelang, nach gewaltsamen Kämpfen im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland wieder Herr der Lage zu werden, übertraf (wie schon bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik) in den Aufstandsgebieten der „weiße Terror“ der Freikorps den „roten Terror“ - bei weitem an Grausamkeit.
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