Eine andere Aufgabe hatten sich die "Frauenbildungsvereine" gestellt. Die Frauen, die sich hier engagierten, versuchten, Mädchen und junge Frauen durch Schulbildung und Ausbildung zu befähigen, sich zu emanzipieren. Ihr besonderes Interesse galt auch den vernachlässigten Kindern alleinerziehender Mütter.
Aus der Schrift zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Frauenbildungsvereins zu Cassel
[...] Es ist mir vergönnt, noch einen kurzen Bericht über die drei Anstalten des Frauenbildungsvereins zu geben. Der Fachschule, als der ältesten Tochter, gebührt der Vorrang. Wie die Zahl der Schülerinnen zu Anfang eine beschränkte war, so auch die der Unterrichtsfächer: Weißnähen, Buchführung, französische Sprache, Zeichnen. Aber schon im nächsten Jahr erweiterte sich deren Zahl, und heute stehen den anfänglichen vier Lehrgegenständen sechzehn gegenüber. Mit Stolz darf die Schule auf die im Laufe der fünfundzwanzig Jahre erzielten Erfolge blicken. Tausend junge Mädchen haben hier die Ausbildung genossen. Viele sind dadurch befähigt worden, sich selbst eine Stellung zu gründen, die ihnen den Lebensunterhalt gewährt; einer großen Anzahl ist es vergönnt, im eigenen Haushalt oder in dem der Angehörigen diese Ausbildung zu verwerten. [...]
Am 1. Dezember 1886 wurde die zweite Gründung des Vereins, der Kinderhort, ein Heim für schulpflichtige Töchter armer Witwen, eröffnet. [...] "Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht" -, dieses schöne Wort findet hier seine Bethätigung. Und wie sind sie oft gekommen; hohläugig und abgezehrt, verwahrlost am Körper und im Gemüt. Wahrlich, nicht immer eine leichte Aufgabe für diejenigen, deren Obhut sie anvertraut werden. [...] Und viele Freunde hat sich der Kinderhort bereits erworben. Neben den Gaben gütiger Kinderfreude empfängt er die Unterstützung der städtischen Behörden, die sich überhaupt allen Unternehmungen des Vereins stets gewogen gezeigt haben [...]. Anfangs wurde der Kinderhort von 22 Kindern besucht; [...] heute umfaßt er 90 Schülerinnen, die in den hellen, luftigen Zimmern, dem geräumigen Hof sich äußerst wohl fühlen.
Die Eröffnung der dritten Anstalt unseres Vereins, der Kochschule, fand am 2. Oktober 1887 statt. Mit ihr sollte einem Mangel Abhülfe geschafft werden, welcher in der häufig so ungenügenden Ausbildung junger Mädchen in Küche und Haus besteht. Denn es ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß oft gerade die sogenannten besten Hausfrauen sehr wenig die Gabe besitzen, ihre Fähigkeiten auf ihre Töchter zu übertragen. Und hier soll jungen Mädchen und Frauen zugleich theoretische und praktische Unterweisung zu teil werden. [...] Außer den regelmäßigen Kochkursen der I. und II. Abteilung finden jährlich auch Kurse im Garnieren und Einmachen statt, die zahlreich besucht werden. [...]
Außer den genannten Schulen befindet sich in dem Vereinshaus noch ein Heim für solche, die sich in den verschiedenen Anstalten des Vereins und in der Klasse für hauswirtschaftlichen Unterricht zu Lehrerinnen ausbilden wollen, und sind in dem Heim seit dem 1. Juli alle Räume besetzt.
Auf Anregung des Staates sollen Kurse für Handarbeitslehrerinnen auf dem Lande neuerdings eingerichtet werden, und auch Turnlehrerinnen finden jetzt durch den Verein ihre Ausbildung.
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