Ein Anlaß für den sogenannten "Kulturkampf" war die Anordnung der preußischen Regierung, die staatliche Schulaufsicht auch auf Privatschulen auszudehnen. Bischof Kött von Fulda weigerte sich, dem Gesetz Folge zu leisten; daraufhin wurde das Knaben-Seminar aufgehoben und die Schüler nach Hause geschickt.
Die Aufhebung des katholischen Knaben Seminars zu Fulda von Seiten des Staates
Cassel, den 2ten August 1873
Der Herr Bischof Kött zu Fulda hat unter principiellem Widerstand gegen die Ausführung des Gesetzes vom 11 . Mai d.J. über die Ausbildung und Anstellung der Geistlichen es abgelehnt, die durch § 9 des allegirten Gesetzes angeordnete Staatsaufsicht über das Clericale = Seminar zu Fulda und das damit verbundene Knaben = Seminar anzuerkennen, und die zur Uebung jener Aufsicht geforderten Mittheilungen zu machen. Ebenso hat der Regens jener Anstalten den von dem Herrn Ober=Präsidenten zu einer Revision abgesendeten Commissarien in gleicher Weise seine Mitwirkung zur Ausführung dieser Revision und diejenigen Mittheilungen verweigert, welche von den Commissarien gefordert wurden. Auf Grund des § 13 des allegirten Gesetzes hat deshalb der Herr Minister der geistlichen Unterrichts= und Medizinal= Angelegenheiten durch Erlaß vom 23. d. MTS G. 28817 den Herrn Ober= Präsidenten ermächtigt
1. die Einbehaltung des den genannten Anstalten gewidmeten Staatsmittel und
2. die Schließung der mit dem Clerical=Seminar verbundenen Knaben Seminars,
bis dahier zu verfügen, daß der Herr Bischof von Fulda resp. die Vorsteher dieser Anstalten sich bedingungslos den Vorschriften der § 9 ff. des Gesetzes vom 11. Mai f 1872] und den auf Grund derselben von den Staatsbehörden getroffenen Anordnungen unterwerfen.
Der Herr Ober=Präsident hat demgemäs verfügt, daß die aus Staatsmitteln seither gewährten Unterhaltungssummen für das Priester= Seminar zu Fulda fernerhin bis zu anderweiter Verfügung nicht mehr gezahlt werden.
Sodann hat der Herr Ober= Präsident auf Grund der gedachten Ermächtigung die Schließung des mit dem Clerical = Seminar verbundenen Knaben= Seminars ausgesprochen, dabei aber, um den Zöglingen desselben es möglich zu machen, rechtzeitig und ohne störende Unterbrechung in ihrem Bildungsgange an öffentliche Unterrichts= Anstalten überzugehen, den Zeitpunkt für die Schließung auf die Beendigung des laufenden Unterrichts = Semesters, spätestens jedoch dem 1ten Oktober d.J. festgesetzt.
Während wir wegen der Einstellung der verwähnten Zahlungen das Nöthige alsbald verfügen werden, beauftragen wir Ew. Hochwohlgeboren mit der Ausführung der Anordnung wegen der Schließung des Knabenseminars.
Den Eltern und gesetzlichen Vertretern der Zöglinge ist von den bevorstehenden Schlusse der Anstalt zeitig Kenntniß zu geben, damit sie für anderweiten Unterricht Sorge tragen können.
Von der vollzogenen Schließung der Knaben =Seminars, deren Anordnung der Herr Ober =Präsident dem Herrn Bischof zu Fulda, sowie dem Regens des Seminars mitgetheilt hat, wollen Ew. Hochwohlgeboren uns demnächst Anzeige machen.
| Königliche Regierung Abtheilung für Kirche= und Schulsachen. [Unterschrift] |
An den Königlichen Landrath Herrn Cornelius Hochwohlgeborn zu Fulda B. 7282 | |
[Der Bürgermeister Müller mußte die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten der von der Schließung betroffenen Schüler benachrichtigen und dies dem königlichen Landratsamt zu Fulda für jeden einzelnen Fall anzeigen. Hier ein Beispiel:]
J. N. 9826
Hofbieber am 23ten August 1873
Auf das Schreiben Königlichen Landrathsamtes J. Nr. 9493 betreffend die Schließung des Knaben = Clerical = Seminars.
Den Eltern b.z.w. der Mutter, und dem Onkel des Damian Schmitt, ist von dem Schluße der Anstalt Kenntniß gegeben, wovon ich hirdurch die Anzeige mache.
| Müller Bürgermeister |
An Königliches Landrathsamt zu Fulda | |
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