Karl Dern, der Sohn des Marburger Lohgerbers Jacob Dern, gibt in einem Brief vom 22.12.1890 ein ernüchterndes Bild von Amerika.
Ein Brief aus Amerika nach Marburg an die Tante
Sheboygan Wisconsin Dec. 22. 1890
Werthe Tante!
Ich habe schon drei mal in den letzten 9 Jahren geschrieben, habe aber niemals eine Antwort darauf bekommen, nun weis ich nicht sind die Briefe angekommen oder nicht [...]. Ich denke gar oft an die Alte Heimath, und spreche öfters mit meiner Frau von vergangene Tage, welche ich in der Jugend da verlebt habe, ich kann es niemals vergeßen. Ich bin seit 9 Jahren verheiratet, habe 3 Kinder am Leben, und eins gestorben. Zwei Jungens und ein Mädchen. Der eine Junge ist 8 Jahre, der andere 6 und das Mädchen zur Zeit ich dies niederschreibe 6 Wochen alt. Der Name des Ältesten ist Arthur und des anderen Roland, die kleine ist noch nicht getauft, alle munter u. gesund. Ich bin hier in einer Lederhandlung beschäftigt.
Vater und die anderen Geschwister sind in Milwaukee 52 Englische Meilen südlich von hier. Mutter ist seit zwei Jahren Tod. [...]
Im allgemeinen geht es uns soweit gut, wir haben gute u. schlechte Zeiten durchgemacht. Wer in diesem Lande etwas verdienen will, muß arbeiten sonst hat er nichts. Von den vielen Gesprächen in Deutschland, daß man hierzulande viel verdient ist es lange nicht so wie die Leute es draußen denken. Wenn einer hier etwas verdienen will dann muß er hart arbeiten. Denn es ist nicht alles Gold was glänzt. Denn die Zeiten sind nicht mehr so wie sie früher waren. Denn die großen Geschäfte machen die kleinen einen nach dem anderen Kaputt, es ist ein gewißes Raubsißdem [Raubsystem] hier zu lande, der kleine Geschäftsmann kann sich nicht länger mehr halten denn die großen sitzen auf ihn. [...]
Achtungsvoll
Dein Neffe Karl D. Dern
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