Am 11.Juni 1866 forderte Österreich im Bundestag zu Frankfurt a.M. "zum Schutze der inneren Sicherheit Deutschlands und der bedrohten Rechte seiner Bundesglieder" die Mobilmachung der sieben nichtpreußischen Bundeskorps zum Bundeskrieg gegen Preußen. Für Preußen bedeutete dieser Antrag ein Bruch des Bundeshauptes, denn nach dem Bundesrecht gab es einen Bundeskrieg nur gegen einen äußeren Feind, aber niemals gegen ein Bundesmitglied. Der österreichische Antrag wurde am 14. Juni von der Mehrheit des Bundestages mit 9 gegen 6 Stimmen angenommen. Preußen richtete daraufhin am 16. Juni eine Note an die norddeutschen Staaten und konnte sie größtenteils zum Kampf gewinnen. Der Krieg bedeutete das Ende des 1815 gegründeten Deutschen Bundes.
Der Brief Fritz Ludwigs zeugt von der Verwirrung der ersten Kriegstage. Er enthält neben Beschreibung der Lage und Bitte um Zusendung von Kleidung ebenso eine Art letzten Willen bzw. Testament im Falle seines Todes.
Transkription
Riesa, den 16. Juni 1866
Liebe Eltern!
Dieser Brief, den ich an Euch schreibe, ist der erste aus Feindesland, nämlich aus dem Königreich Sachsen. Wir sind nämlich am 15. Juni abends 10 Uhr über die Elbe gegangen und die ganze Nacht marschiert bis nach Riesa an der Elbe. In Riesa ist eine Eisenbahn - Station der Zweigbahn, die von Berlin nach Dresden geht, wo aber jetzt schon aller Verkehr abgebrochen ist, denn als wir hin kamen, hatten die Sachsen schon die Schienen abgebrochen und die Brücke über die Elbe in Brand gesteckt.
Riesa ist ein schönes Städtchen, und die Leute sind ganz gastfreundlich da, trotz dem das sie Feinde im Quartier haben.
Das ganze 8te Armeecorps liegt dort beisammen mit noch vielen andern Truppen und Ihr könnt Euch denken, wie ich mich verwundert habe über die Masse Menschen. Ich habe auch schon den Friedrich Vogt, Höhn, Marx und Veth getroffen, welche immer bei uns liegen.
Ich kann Euch nichts Neues sagen über die Geschichte, denn wir werden selbst immer getäuscht, denn wenn sie sagen zu uns, ihr kommt dahin, so kommen wir auf einen ganz anderen, und so führen sie uns vor den Feind, ohne daß wir davon wissen. Die Sachsen ziehen sich mit den Österreichern zusammen, und es wird in den nächsten Tagen wahrscheinlich zum Gefecht kommen. Es gehen immer Briefe mit der Post zu uns und Ihr könnt mir noch ein Hemd schicken, denn eins fängt schon an zu zerreißen. Ihr könnt Euch denken, was für Strapazen wie schon gemacht, und noch zu machen haben, doch der gute und getreue Gott, der mich bis dahin erhalten, der wird auch ferner mein Schutz und Beistand sein in aller Not und Gefahr, und sollt es sein Wille sein, Euch nicht hier nur zu sehen, doch dereinst dort droben, wo kein Krieg mehr sein wird noch Leid noch Gefahren, ein fröhliches Wiedersehen zu verleihen. Wenn ich nicht mehr nach Hause kommen sollte, dann macht’s Euch gut und verlebt die paar Jahre, die Ihr noch zu leben habt in Frieden und Eintracht, und tröstet Euch über mich, denn Ihr seid nicht die Einzigen, denen es so geht, nehmt Euch eins von den Kindern meines Vetters ins Haus, und seht es für mich an.
Bei diesem Schreiben fallen mir die Tränen aus den Augen, und bei Euch wird das noch mehr der Fall sein, doch nur immer frohen Mutes, wir sehen uns ja wieder in jener Welt.
Ihr habt Alles genug, und könnt Euch Euer armes Leben noch versüßen, wenn Ihr Euch [nicht] allzusehr abgrämt und abhärmt. Ich will jetzt schließen im wahren Gottvertrauen auf den, der für uns gestorben und auferstanden ist.
Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir,
Wenn ich denn Todt soll leiden,
So tritt du dann herfür.
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herz mir sein
So reiß‘ mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein.
Grüßt mir alle Verwandten und Freunde und behaltet im Andenken Euren Fritz
Adresse ist: An den Jäger Ludwig bei der 4ten Companie Rheinisches Jägerbatallion Nr. 8 in der Avangarde des 8ten Armeecorps 16. Division.
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