Papst Paul III., Bulle »Regimini militantis ecclesiae«: Bestätigung des Jesuitenordens, 27. September 1540
Ignatius von Loyola (1491-1556) war der Begründer des Jesuitenordens, der "Gesellschaft Jesu" (Societas Jesu, SJ). Mit sechs befreundeten Kommilitonen (s.u.) an der Universität Paris vereinigte er sich 1534 zu einer christlichen Gemeinschaft und gelobte Armut, Keuschheit und Mission in Palästina.. Dieses gemeinsame Gelöbnis war der Anfang des Jesuitenordens, dessen Regeln Papst Paul III. 1540 in Rom bestätigte. Die Jesuiten verpflichteten sich zu treuem Gehorsam gegenüber dem Papst und zählten zu den wichtigsten Akteuren der Gegenreformation.
Wir haben kürzlich nun davon Kenntnis erhalten, daß Unsere geliebten Söhne Ignatius von Loyola, Petrus Faber, Jakob Laynez, Claudius Jaius, Paschasius Broet, Franz Xavier, Alfons Salmeron, Simon Roderich, Johann Coduri und Nikolaus von Bobadilla, Priester aus den Städten und Diözesen Pamplona, Gen€vois, Siguenza, Toledo, Viseu, Embrun und Palencia, Magistri artium der Universität von Paris und seit mehreren Jahren Studenten der Theologie, aus Eingebung des Heiligen Geistes — wie es der fromme Glaube sieht — schon seit langem aus verschiedenen Teilen der Welt sich zurückgezogen und zu einer Gemeinschaft vereinigt haben. Sie sind Genossen [socii] geworden und haben den Verlockungen dieser Welt entsagt und ihr Leben für immer dem Dienst [servitium] unseres Herrn Jesus Christus und Unserer Person bzw. der Uns folgenden Päpste von Rom geweiht. Sie sind schon seit mehreren Jahren ruhmreich im Weinberg des Herrn tätig. Mit hinreichender Vollmacht ausgestattet, predigen sie das Wort Gottes öffentlich. Privat ermahnen sie die Gläubigen zu einem guten und seligen Leben und zu frommen Gedanken. Darüber hinaus dienen sie in Krankenhäusern und unterweisen Kinder und Ungebildete in dem, was zur Bildung eines Christen erforderlich ist. Kurz: an allen Orten, wohin sie gekommen sind, haben sie sich viel Ruhm verdient, indem sie alle Liebespflichten erfüllten und alles taten, was der Tröstung der Seelen dient. Jetzt aber sind sie in diese erhabene Stadt gekommen und haben, fest durch das Band der Liebe verbunden, eine Regel des Lebens [vivendi forma] vorgelegt, die die Einheit ihrer Gesellschaft [societas] in Christus vollenden und bewahren soll. Diese Regel enthält Anweisungen, von denen sie durch Erfahrung gelernt haben, daß sie dem ins Auge gefaßten Ziel dienlich sind, und steht zugleich in Übereinstimmung mit den evangelischen Räten und den kanonischen Gesetzen [sanctiones] der Väter. Deshalb hat es sich ergeben, daß das Leben dieser Genossen, so wie es durch die Regel [formula] gestiftet wird, nicht nur bei vielen rechtschaffenen und für Gott eifernden Männern Anerkennung findet, sondern daß ihm einige sogar so sehr zustimmen, daß sie es zu ihrem eigenen machen wollen. Der Wortlaut der besagten Regel ist folgender:
»Jeder, der in unserer Gemeinschaft, die wir mit dem Namen Jesu auszeichnen wollen, unter dem Banner [vexillum] des Kreuzes Gott Kriegsdienste leisten [militare] und allein dem Herrn und dem römischen Papst als seinem Stellvertreter auf Erden dienen [servire] will, muß sich nach dem feierlichen Gelübde ewiger Keuschheit vor Augen halten, daß er Teil jener Gesellschaft ist, die vor allem dazu gegründet wurde, daß sie sich um den Fortschritt der Seelen in christlichem Leben und christlicher Lehre und um die Ausbreitung des Glaubens durch öffentliche Predigten und Dienst am Worte Gottes, geistliche Übungen und Werke der Liebe sowie vor allem durch christliche Unterweisung von Kindern und Ungebildeten und geistliche Tröstung der Gläubigen im Beichthören bemüht. Er soll danach streben, zunächst Gott, sodann aber auch den Zweck dieses seines Instituts, der auch ein gewisser Weg zu Gott ist, immer vor Augen zu haben und dieses von Gott gesetzte Ziel mit allen Kräften zu verfolgen ... Sodann sollen alle Genossen wissen und nicht nur am Beginn ihres gelobten Wandels [professio], sondern zeit ihres Lebens täglich im Herzen bewegen, daß diese Gesellschaft als ganze und alle einzelnen in ihr für Gott Kriegsdienste leisten im treuen Gehorsam gegenüber unserem Heiligsten Herrn, dem Papst, und seinen jeweiligen Nachfolgern als Bischöfe von Rom.
Wie uns ja schon das Evangelium belehrt und der rechtschaffene Glaube erkennen läßt, sowie wir selbst mit Nachdruck bekennen, sind alle Gläubigen Christi dem römischen Papst als ihrem Haupt und als dem Stellvertreter Jesu Christi unter-stellt. Doch zur größeren Demut unserer Gesellschaft und zur vollkommenen Abtötung eines jeden einzelnen sowie der Entsagung unseres eigenen Willens erachten wir es als höchst nützlich, wenn sich jeder von uns — über jenes gemeinsame Band hinaus — mit einem speziellen Gelübde verpflichtet. Inhalt dieses Gelübdes soll sein, daß wir ohne jedes Zögern und ohne Ausreden — soweit es in unserer Macht steht — sofort alles ausführen, was der gegenwärtige oder später der jeweilige Papst zum Nutzen der Seelen und zur Ausbreitung des Glaubens befiehlt. Da-bei darf er uns schicken, wohin er will, sei es zu den Türken oder zu anderen Ungläubigen, auch wenn sie im sogenannten >Indien< leben, sei es zu irgendwelchen Häretikern oder Schismatikern, sei es zu bestimmten Gläubigen ... Insbesondere sollen sie sich die Unterweisung von Kindern und Ungebildeten in der christlichen Lehre von den Zehn Geboten und anderem Elementarwissen, was je nach Person, Ort und Zeit nötig zu sein scheint, anbefohlen sein lassen. Denn für diesen Aufgabenbereich müssen Oberer [praepositus] und Versammlung besonders Sorge tragen, da bei den Nächsten ohne ein Fundament kein Gebäude des Glaubens entstehen kann, und bei uns die Gefahr besteht, daß sich vielleicht gerade die Gelehrteren bemühen, diesem auf den ersten Blick unscheinbaren Gebiet auszuweichen. In Wahrheit aber bringt keine andere Tätigkeit größere Frucht für den Nächsten, deren Erbauung sie dient, und für uns, denen sie Gelegenheit gibt, der Pflicht der Liebe und der Demut in gleicher Weise nachzukommen .. .
Da wir wissen, daß unser Herr Jesus Christus seinen Dienern, die allein nach dem Reiche Gottes trachten [Mt 6,33], alles Notwendige an Nahrung und Kleidung zur Verfügung stellen wird, sollen alle für sich und als Gemeinschaft ewige Armut geloben und erklären, daß sie nicht nur einzeln, sondern auch gemeinsam zum Unterhalt und Nutzen der Gesellschaft [Jesu] keinen weltlichen Rechtsanspruch auf festen Besitz oder auf Erträge und Einkünfte erwerben können. Um das zu bekommen, was zum Leben notwendig ist, sollen sie mit dem Nutzungsrecht [usus] der ihnen zugedachten Stiftungen zufrieden sein. Allerdings können sie an den Universitäten ein oder mehrere Kollegien mit eigenen Einkünften, Besitz und Vermögen unterhalten, soweit dies zum Nutzen und für die Bedürfnisse der Studierenden verwandt wird. Dabei soll dem Oberen und der Gesellschaft jede Aufsichts- und Weisungsbefugnis über die Kollegien und Studenten vorbehalten bleiben . . . Diese [die Studenten] wiederum können in unsere Gesellschaft aufgenommen werden, wenn ein Fortschritt im Geist und in der Wissenschaft erkenn-bar ist, und sie eine ausreichende Probezeit hinter sich haben. Alle Genossen aber, die heilige Weihen empfangen haben, sind jeweils für sich privat, nicht aber gemeinsam, zum kirchlichen Breviergebet verpflichtet, auch wenn sie keine kirchlichen Pfründen oder deren Einkünfte haben ... Jesus Christus möge auf unser zagendes Beginnen gnädig herabsehen zur Ehre Gottes, des Vaters, dem allein sei Lob und Preis in alle Ewigkeit. Amen.«
Da im Vorstehenden nichts zu finden ist, was nicht fromm und heilig ist, verkündigen wir, damit die Genossen, die Uns in aller Demut eine diesbezügliche Bitte unterbreitet haben, um so bereitwilliger bei ihrem frommen Lebensvorsatz bleiben, je huldvoller sie sich vom Apostolischen Stuhl umfangen wissen und je klarer sie sehen, daß auch Wir das Vorstehende billigen, folgende Entscheidung: Aufgrund des vorliegenden Schreibens, das Wir genau zur Kenntnis genommen haben, billigen, bestätigen und segnen Wir kraft Unserer Apostolischen Vollmacht die Regel im ganzen und in allen Einzelheiten und verleihen ihr ewige Geltung, da sie dem geistlichen Fortschritt der Genossen und der übrigen christlichen Herde förderlich ist. Die Genossen selbst nehmen Wir in Unseren besonderen Schutz und in den Schutz dieses heiligen Apostolischen Stuhles, wobei Wir ihnen zugleich das uneingeschränkte Recht verleihen, für sich besondere Konstitutionen [particulares Constitutiones] zu erlassen, wenn sie der Meinung sind, daß diese dem Ziel der Gesellschaft, der Ehre unseres Herrn Christus und der Förderung des Nächsten dienen .. .
zit. nach Heiko A. Oberman, Die Kirche im Zeitalöter der Reformation, Neukirchen-Vluyn 4. Aufl. 1994, Dok. 94, S. 196-198
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