Dokument 2
Neue Stadtverfassung des Landgrafen Ludwig I. für Marburg, 24. November 1428
Urheber
Landgraf Ludwig I.
Datum
24.11.1428
Bestand/Sign.
Küch, Friedrich: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg. Bd. 1. Marburg 1918. Nr. 92. S. 148.
Wir, Ludwig von Gottes Gnaden, Landgraf zu Hessen, bekennen vor uns und unseren Erben öffentlich in diesem Brief, dass wir all unseren Zunftmeistern und der ganzen Gemeinde die Gnade und den Willen erweisen, wie er hernach geschrieben steht:
- Zum ersten, dass dieselben Zünfte und Gemeinden vier Männer mit unserem Wissen und die uns dazu geeignet dünken, aus ihnen wählen sollen, die zu den zwölf Schöffen und dem Rat, der jetzt besteht, zu Rat gehen [sie beraten] und alle Rechte helfen auszusprechen und von allem Geld und Ausgaben Kenntnis haben sollen, das die Stadt angeht und alle Rechnungen mithören und dabei sind, wenn man das Geschoss [eine Steuer, die sich nach dem Vermögen des Einzelnen berechnete. Dabei musste der Steuerpflichtige sein Hab und Gut selbst einschätzen und einen Eid darauf schwören] einnimmt oder festsetzt. Und was die zwölf Schöffen, der Rat und die Vier von der Gemeinde darum festlegen oder machen einträchtlich, das soll man so halten. Und die Gemeinde soll die Viere ändern [= neu oder hinzu wählen] jedes Jahr, wenn ihnen das recht ist oder wenn es nötig ist. […] Und diese Viere sollen dem Bürgermeister und den Schöffen glauben und schwören, ihre Heimlichkeiten nicht zu melden.
- Wir sind übereingekommen, dass von den zwölf Schöffen nicht mehr als einer aus einem Geschlecht [Familie] sein soll und die anderen, die im Rat sind, sollen zu dieser Zeit mit den Schöffen und den Vieren dabei bleiben, doch wenn einer von ihnen von Todes wegen abgegangen ist, dass man alsdann keinen anderen an des Abgegangenen statt wähle oder setze. Man soll auch, wenn einer der Schöffen von Todes wegen abgeht, einen anderen aus dem Rat an dessen statt nehmen und alsdann an des Rats statt keinen anderen wählen. Und wenn der Rat so ganz verstorben ist und ab wäre, so soll es bei den zwölf Schöffen und den Vieren von der Gemeinde bleiben und keinen anderen Rat ohne unser Wissen und Geheiß mehr wählen.
- Wir sind auch übereingekommen, wenn die Schöffen sich Sachen vornehmen und beraten, die die Viere von der Gemeinde mit den Zunftmeistern nicht ausrichten können, so mögen diese Viere diese Sache weiter an die Zünfte herantragen und wenn sie aber mit den Zünften auch nichts ausrichten können, so mögen sie die Sache dann weiter an uns, unsere Erben und unsere Amtsleute bringen und sollten damit nicht gegen ihren Eid gehandelt haben.
- Ebenso soll die Gemeinde jedes Jahr einen Bürgermeister wählen aus den zwölf Schöffen. Dann sollen die zwölf Schöffen einen Unterbürgermeister aus den Vier von der Gemeinde Gewählten auswählen. Ebenso sollen jedes Jahr die Schöffen einen aus ihnen und die Viere und die Gemeinde dazu auch einen von ihnen wählen und zu Baumeistern machen; und desgleichen soll jede Partei einen von ihnen wählen und setzen zum Ratshändler, Weinkenner, Brot- und Fleischbeschauer und anderen Dingen, die man zu besehen [=prüfen] pflegt.
- Ebenso sollen der Bürgermeister und der Unterbürgermeister mit ihren Gehilfen die Macht haben, alle Aufträge auszurichten und zu bezahlen.
- Auch sollen Bürgermeister, Schöffen und die ganze Gemeinde niemanden gestatten noch zulassen, selbst Gewalt [Recht] auszuüben noch Frevel [Übermut, Gewalttat] an dem anderen in unserem Schlosse [= Stadt Marburg] zu tun in keiner Weise, sondern das mit Hilfe unserer Amtsleute verhindern und aufhalten.
- Wir behalten uns und unseren Erben auch die Macht vor, alle vorgestellten Artikel, einen oder mehrere, einen Teil oder einmal oder jederzeit, wenn uns das passt [angebracht erscheint], zu verändern und es damit zu machen wie es uns dünkt zum besten unserer Stadt.
Dies zu beurkunden haben wir unser Siegel an diesem Brief angehängt. Im Jahre 1429.
Bearbeiter: DigA — URL dieses Dokuments: http://digam.net/index.php?doc=10251
—
URL dieser Ausstellung: http://digam.net/index.php?exp=264
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