John Wyclif
"Hätte die hartnäckige Widerspänstigkeit unserer Prälaten nicht dem göttlichen und wundervollen Geiste Wyclif's im Wege gestanden, so wären vielleicht weder die Böhmen Huss und Hieronymus, noch selbst die Namen Luther's und Calvin's je bekannt geworden, und der Ruhm, alle unsere Nachbarn reformirt zu haben, wäre völlig unsere gewesen!" - John Milton1
„Jedwede Person, ob Individuum oder Gruppe, die erkennbar gegen Christus im Sinne der Bibel ist, ist der Antichrist.“2 – John Wyclif
Leben:
John Wyclif (1328 - 1384) war ein englischer Reformator und säkularer Theologe. Er wurde vermutlich in Wycliff-on-Tees2 geboren, als jüngerer Sohn einer Familie des niederen Adels, die in einem Lehensverhältnis zum Duke of Lancaster, John of Gaunt, standen3. John Wyclif studierte in den 1340er Jahren an der Artistenfakultät am Queen’s College in Oxford, mit Abschluss des Baccalaureus 1356 und Magister 1360 am Balliol College. Es folgte der Baccalaureus der Theologie 1369 und Promotion 13724. Im selben Jahr trat Wyclif in den Dienst des John of Gaunt und nahm 1374 in Brügge als königlicher Gesandter an Verhandlungen mit der römischen Kurie teil, die sich allesamt um die Geldflüsse zwischen Staat und Kirche in England drehten5. Als Folge diverser Schriften, insbesondere De Civili Dominio, welches die komplette Enteignung der Kirchenbesitztümer forderte, geriet John Wyclif zunehmend in Konflikt mit der Kirche5. Auf fünf päpstliche, gegen Wyclif gerichteten, Bullen im Jahre 1377, folgte 1378 der Ketzerprozess6, der allerdings durch adlige Sympathisanten Wyclifs, die aus seinen Lehren wiederum ihre eigenen, politischen Nutzen zu schlagen hofften, frühzeitig abgebrochen wurde7. 1381 verließ er schließlich Oxford und begann mit seiner Bibelübersetzung ins Englische8. Obwohl Wyclif nicht direkt mit den Volksaufständen von 1381 verwickelt war, wurde im seitens des Klerus zur Last gelegt, dass er mit seinen Thesen zur Anheizung der Atmosphäre beigetragen hatte9. Die verbleibenden Jahre seines Lebens verbrachte Wyclif als Pfarrer in Lutterworth und schrieb dort eine Vielzahl von Traktaten10.
Lehren:
Wyclif predigte eine Rückkehr zur Bibel, die die Wahrheit enthalte, jedoch unterstützte er nicht die Idee der sola scriptura, da er überzeugt war, dass der Glaube allein nicht ausreiche, um die Bibel zu verstehen11. Eine Übersetzung der Bibel sei unbedingt notwendig, um sie dem Volk näher zu bringen. Die Kirchengüter sollten gänzlich enteignet werden, da die Kirche keinen weltlichen Besitz haben sollte12, und die Geistlichen waren den den weltlichen Gesetzen zu unterwerfen12. Sündige Geistliche seien nicht imstande, ihrer Ämter zu walten, und daher zu ersetzen.12 Anfänglich war Wyclif ein Anhänger der Transsubstantiationslehre, entwickelte sich jedoch später zu einem ihrer entschiedensten Gegner, da er sie für unmöglich hielt8. Die Heiligen-, Reliquien und Bilderkulte15 waren zu beendigen und die Mönchsorden aufzulösen15. Wyclifs Einstellung zum Papst radikalisierte sich zunehmend im Laufe seines Lebens und bezeichnete ihn letztendlich als den Antichrist, wobei Wyclifs Auffassung des Antichrists nicht chiliastisch war2. Er beteuerte, dass „[n]ur Christus, nicht der Papst ist das Haupt der Kirche“17 und zweifelte an der Ohrenbeichte und der Zölibatspflicht17. Außerdem forderte Wyclif die sofortige Einstellung des Ablasshandels17. Seine Weltvorstellung war deterministisch, in der Gott von allem wisse, doch er schloss den menschlichen freien Willen nicht aus14. Wyclifs Vorstellung erwies sich dadurch als Scharnier zwischen dem „fatalistischen Determinismus“ von Thomas Bradwardine und den „semi-pelagianischen Position der ‚moderni’ “14. Er forderte ein „Ende des Staatskirchentums“18 und eine Säkularisierung der Regierungsämter. Sein Gesamtwerk durchzieht ein tiefer Pazifismus18
Einfluss:
Wyclif wird oftmals als „Morgenstern der Reformation“15 bezeichnet. Seine Lehren verbreiteten sich rasant sowohl auf den Britisches Inseln als auch auf dem Kontinent aus und inspirierte zu einem gewichtigen Teil die Reformation im 16. Jh. Die Lollarden in England führten sein Erbe noch bis in 16. Jh. fort und die wyclifitische Bibel erfuhr eine derart starke Verbreitung, sodass sie bis heute das meisterhaltenste, englische mittelalterliche Dokument darstellt, weit vor dem zweitplatzierten Canterbury Tales von Chaucer8. In Europa wurden seine Ideen besonders durch Erasmus von Rotterdam, über John Colet, und Jan Hus in Böhmen aufgenommen und verbreitet13. Die Werke von Hus sind sogar „großenteils wörtlich aus denen Wyclifs abgeschrieben“16.
Autor: Alexander Debney
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1 Buddensieg, Rudolf. Johann Wyclif's De Christo et suo adversario Antichristo. Gotha, 1880, S. 9
2 Laley, Stephen E. „John Wyclif“. Oxford, 2009, S. 28.
3 Vgl. S. 3ff.
4 Vgl. S.5f.
5 Vgl. S.15f.
6 Vgl. S. 18f.
7 Vgl. S. 19f.
8 Vgl. S. 23f.
9 Vgl. S. 25
10 Vgl. S. 27
11 Vgl. S. 25
12 Vgl. S. 16f.
13 Vgl. S. 30
14 Vgl. S. 170f.
15 Vgl. Jones, R. Tudur. „The Great Reformation“. Leicester, 1985, S. 17f.
16 Borinski, Ludwig. “Wyclif, Erasmus und Luther”. 1988. In: “Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius – Gesellschaft der Wissenschaften e.V., Hamburg“. Heft 2. Göttingen, 1990. S. 6
17 Vgl. S.7
18 Vgl. S. 10
19 Vgl. S. 20
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