85. 274 Marburg 26 Bd. 1 Synagogenbrandstiftung 1938, Verfahren Stollberg 1950
Dokumentation der Strafsache gegen Kurt Stollberg (LG Marburg, 1950) wegen "Anstiftung zum schweren Landfriedensbruch u.a." im Zusammenhang der Synagogenbrandstiftung in Marburg am 9./10. November 1938 ist in Vorbereitung.
Mit den Urteilen gegen Hans Steih, Friedrich Groos und Paul Piscator aus der Verhandlung vom 21.11.1947 sowie der Revisionsverhandlung vom 8.12.1948 war die justizielle Aufarbeitung der Synagogenbrandstiftung zunächst abgeschlossen, obwohl in diesen Verhandlungen immer wieder auch andere maßgebliche Beteiligte genannt worden waren, deren Aufenthalt aber durch die Folgen des Krieges nicht bekannt war. Erst als die Ehefrau und die Tochter des Hauptverurteilten Steih die Justiz 1949 darauf aufmerksam machten, dass sowohl der frühere SA-Mann Heinrich Peilstöcker als auch vor allem der frühere Führer der SA-Standarte 11 Kurt Stollberg inzwischen aus der Kriegsgefangenschaft entlassen waren, begannen erneute Ermittlungen. Diese Ermittlungen führten zur Anklageerhebung gegen Peilstöcker und Stollberg und zu einer weiteren Verhandlung wegen der Brandstiftung vor dem Landgericht Marburg am 8. und 11. August 1950.
Am 11. August 1950 wird folgendes Urteil gesprochen:
Der Angeklagte Stollberg wird wegen Anstiftung zum schweren Landfriedensbruch in Tateinheit mit Aufforderung zur schweren Brandstiftung zu einem Jahr sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Der Angeklagte Peilstöcker wird freigesprochen.
Sowohl Stollberg als auch die Staatsanwaltschaft legten Revision gegen das Urteil ein. Die Revisionen wurden am 6. Juni 1951 vom OLG Frankfurt verworfen, das Urteil wurde rechtskräftig. Stollberg trat am 21.7.1952 seine Haft an und verbüßte ein Jahr, der Rest wurde auf dem Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt.
Auf Grund der Beweisaufnahme und der Urteile im Stollberg-Verfahren wurde das Verfahren gegen Hans Steih, der bereits fast zwei Jahre seiner Strafe verbüßt hatte, neu aufgenommen. Das Landgericht Marburg hob am 16.9.1952 das Urteil gegen Steih auf und verurteilte ihn nur noch wegen Aufforderung zur Brandstiftung und zum Landfriedensbruch sowie wegen Land- und Hausfriedensbruch zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Eine Teilnahme an der Brandstiftung selbst konnte ihm nach Aussage des Gerichts nicht nachgewiesen werden.
Die Gerichte haben also in mehreren Verfahren zwischen 1947 und 1952 4 der angeklagten SA-Männer zu Freiheitsstrafen zwischen 6 und 21 Monaten verurteilt; 3 Angeklagte wurden freigesprochen.
Bei kritischer Würdigung dieser Urteile bleiben über die hier eher vordergründigen Kriterien des Strafgesetzes hinaus doch zahlreiche Fragen offen. Der genaue Ablauf der Brandstiftung ist weiterhin zweifelhaft; die Rolle, die zwei angebliche SD-Männer aus Kassel spielten, ist ungeklärt. Inwieweit die Spitzen von Partei und Kommune in Marburg in das Verbrechen eingeweiht waren und der SA freie Hand ließen, selbst aber im Hintergrund blieben, wurde von den Gerichten nicht weiter untersucht.
Bearbeitet von Günter Lehmann
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